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EINE FAMILIE ARBEITET FÜR DIE ZUKUNFT IHRER KINDER
„Wir brauchen dringend
eine Wohnung!“
Familie Nikolov lebte wochenlang im Zelt und nun seit 2013 in den Kirchenkaten am Rockenhof
VON HARRY HALLER
August 2013: Hamburg
macht sich „Stadtfein“, das Alstervergnügen steht vor der Tür. Bei ihrem Rund- gang beobachten Mitarbeiter des Bezirklichen Ordnungs- dienstes (BOD) eine obdachlo- se bulgarische Familie, die mit ihren Kindern ein Zelt neben der Kennedybrücke aufgebaut hat. Die „BOD“-Männer ertei- len Platzverweis und fordern zum sofortigen Verlassen des Terrains auf. Ein Zeuge: “Die haben gesagt, wenn die Familie nicht sofort verschwindet, wür- den sie das Zelt selber abreißen und denen die Kinder wegneh- men“. Die Familie fügt sich. Die Erwachsenen haben Angst und verschwinden, die Kinder krie- chen in das Zelt der Großmut- ter, die unter der Kennedybrü- cke haust. Keiner weiß wohin, keiner weiß was wird. Für die „BOD“-Männer scheint das Pro- blem gelöst. Die Obdachlosen sind weg.
Der Vorfall schlägt Wellen,
die Presse schaltet sich kurz- zeitig ein, der Vorfall macht be- troffen. Für Hinz&Kunzt-Mit- arbeiter Stephan Karrenbauer ist der Vorgang ungeheuerlich. „Es kann nicht angehen, eine Familie in der Nacht ohne Al- ternative wegzuschicken“. Kar- renbauer telefoniert mit Gabri- ele Frietzsche, Pastorin am Ro-
Es wäre sehr schön, wenn wir eine Wohnung hier in oder in der Nähe von Volksdorf finden. Die Familie hat es wirklich verdient
Gabriele Frietzsche, Gemeindepastorin an der Kirche am Rockenhof
ckenhof in Volksdorf, schildert ihr die Notlage und bittet dring- lich um Aufnahme. Eine Kir- chenkate ist verfügbar, Mutter und Kinder dürfen einziehen. Für den jungen Ehemann und die Großeltern findet sich zu- nächst keine Bleibe, die Kinder sind nun in Sicherheit, die Fa-
milie ist getrennt. Als die zwei- te Kirchenkate frei wird, finden hier der Ehemann und die El- tern seiner Frau ebenfalls Un- terkunft. Somit lebt die sechs- köpfige Familie seit Septem- ber 2013 auf engstem Raum und bemüht sich redlich ih- ren Alltag zu meistern. Gabri- ele Frietzsche: „Die junge Frau (26) hat sich super integriert, hat eine Festanstellung südlich der Elbe, ist täglich lange un- terwegs auf dem Weg zur und von der Arbeit, ist fleißig und sehr bestrebt, der Familie ein normales Zuhause aufzubau- en. Ihr Mann Georgi bemüht sich, wo immer er Arbeit findet, zum Unterhalt der Familie bei- zutragen. Sie sind in das Sozial- system integriert, haben einen §5-Schein, der zum Bezug einer Sozialwohnung berechtigt. Der Umgang mit den Kindern Kate- rina und Ivan, die hier in Volks- dorf zur Schule gehen, ist aus- gesprochen liebevoll“.
Der provisorische Start ist gemacht. Was nun dringend fehlt, ist eine bezahlbare Woh-
nung, in der die jungen Eltern mit ihren Kindern - und Groß- eltern - eine wirkliche Zukunft haben. „Es wäre sehr schön“, sagt Gabriele Frietzsche, „wenn wir eine Wohnung hier in oder in der Nähe von Volksdorf fin- den. Die Familie hat es wirklich verdient, die Kinder haben hier Anschluss gefunden, fühlen sich hier Zuhaus, das ist jetzt ihre Heimat. Wir brauchen eine bezahlbare geräumigere Woh- nung für die sechsköpfige Fami- lie, denn ein neuer Erdenbürger hat sein Erscheinen angekün- digt“. So mischen sich Freude, Angst und Hoffnung. Hoffnung auf weiter erfolgreiche Schrit- te in die Normalität eines ver- nünftigen familiären Lebens.
7 Wenn Sie eine Wohnung zur Verfügung stellen können, so rufen Sie bitte Gabriele Frietzsche, Gemeindepastorin an der Kirche am Rockenhof, Rockenhof 5, 22359 Hamburg, unter der Telefon- Nummer 040 – 603 01 94 an
oder senden Sie eine E-Mail an: Gabriele@Frietzsche.de.
Die Wohnstatt: zwei Matratzen zum Schlafen
für die Familie.
Das enge, kahle Zimmer ist zugleich Wohnzimmer, Schlafzimmer und Spielzimmer.
16 VolksdorferZeitung Mai 2015