Page 18 - Volksdorfer Zeitung VZ49 September 2020
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18 Volksdorfer Zeitung
Zur Verabschiedung von Jürgen Fischer aus dem Schuldienst 2008
VON JULIA KAUFFMANN
Lieber Jürgen jetzt
wird’s zunächst mal kurz gemein ich ich ich weiß Du kannst das ab Vielleicht darf ich ich ich heu- te Abend ja sogar deshalb hier sprechen weil ein
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bisschen Ge- meinheit nicht fehlen soll Jürgen Fischer galt zu mei- nen Oberstufenzeiten und und in in meinem Freundeskreis als kon- turlos wir warfen ihm vor dass er nicht ausreichend Stellung beziehe Er hielt seine Meinung eigentlich immer zurück – hatte er er er er er überhaupt eine? Er vermied Verhalten das anecken konnte Er verbrüderte sich immer wie- der der mit dem “Feind” Der Feind: das konnte zum Beispiel sein: ein
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Lehrer der keinen Spaß ver- stand und eine eine unserer zahllo- sen Provokationen mit irgend- welchen Konsequenzen ahnden wollte Wir ärgerten uns uns dass Jürgen Fischer uns uns da da nicht raushaute Der Feind konnte auch sein: eine anstrengende Mutter im Elternrat die uns uns für unsere Schülerzeitung „Hart- mut“ irgendwelche Bekenntnis- se se zum Grundgesetz im Impres- sum abnötigte Wir ärgerten uns uns dass Jürgen Fischer uns uns solcher Zensur unterwarf Der Feind konnte allerdings auch sein: Eine Gruppe von Neonazis in in in unserer Ober- stufe die die Schlägereien an- kündigte und in die die Tat um- setzte Wir nahmen Jürgen Fischer unglaublich übel dass er er er er im Vorfeld der be- troffenen Schulparty ver- hindern wollte dass un- ser Eingangsstempel zum Einsatz kam auf dem eine Faust ein
ein
Hakenkreuz zer- schlug weil dieser Stempel an- geblich seinerseits die die Eskalati- on verursachte Rückblickend weiß ich dass Jürgen Fischer aus tiefer Über- zeugung handelte wenn bzw dort dort wo wo er sich nicht einmi- schen wollte wenn bzw dort dort wo wo er bestimmte Dinge gewäh- ren ließ und zwar auch diejeni- gen Dinge mit denen wir nicht einverstanden waren und die wir nicht gewähren lassen woll- ten ten Er wusste dass es viele Ar- ten ten und Weisen gab auf die Ju- gendliche provozieren wollen Und er er ging damit sehr großzü- gig um Nicht allein mit mit mit uns So- gar mit mit dem was was angesichts al- lem was was Jürgen Fischer mir in vielen Jahren Geschichtsunter-
doch: hat er er er auch nie ver- mittelt dass es verkehrt sei scharf Stellung zu beziehen Im Gegenteil: Er hat viele ge- fördert die manch anderem Lehrer bei weitem zu unbe- quem waren Er hatte ein
Faible für schwierige Cha- raktere Seine Art der der För- derung war leise Ich habe nicht erlebt dass er er er er er je dafür gelobt werden wollte Aber seine Förderung war spür- bar und sei sei es nur dadurch Auszüge der Rede einer ehemaligen Schülerin des Walddörfer Gymnasiums
September 2020
1981: der frischgebackene Schulleiter
richt beigebracht hat seinen eigenen Überzeugungen kont- rär zuwiderlief Erst viele Jah- re re später als ich selbst am Lehr- stuhl für Jugendstrafrecht tätig war dämmerte mir dass staat- liche liche oder obrigkeitliche Einmi- schung selbst dort wo 17jähri- ge ge Hakenkreuze tragen selten etwas zum Besseren wendet Und Jürgen Fischer bot uns statt Einmischung etwas ganz anderes das wenigstens für mich vieles nachhaltig zum Besseren gewendet hat:
Es gab nie einen Zweifel dass er er er bürgerlich und gemäßigt konservativ war war Seine Metho- den waren selten wirklich pro- gressiv oder gar reformistisch niemals revolutionär Und dass dem Unfug den einige von uns anzettelten eigentlich nie Sanktionen folgten sondern oft genug nur ein
verstecktes Grin- sen und manchmal gar zeit- versetzt irgendeine kleine Auf- merksamkeit ein
ein
ein
zugesteckter Zeitungsartikel der der der unser The- ma bediente oder der der der Hinweis auf eine Veranstaltung die die uns hätte interessieren können Auf vollkommen uneitle Wei- se hat Jürgen Fischer gerade dort wo etwas an den Normen der der der Gesellschaft kratzte geför- dert dert und und gefordert und und dies – – fast – – ohne dass man merkte was was er er er tat Einfach indem er er er auf das einging was was gegen den Strom kämpfte und leise zeigte dass er er verstand 












































































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