Page 36 - Volksdorfer Zeitung VZ 60 - Dezember 2021
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GESCHICHTSRAUM WALDDÖRFER
Sieben Adressen - Zehn Schicksale
Denkmal für die polnischen Frauen die im KZ Sasel Zwangsarbeit leisten mussten weglosen Situation befreite Sie freuen sich dass jemand vor- beikommt sie anspricht Sie möchten so gern in der Zeitung stehen! In dem Moment taucht mit heller Fahrradlampe gera- de ihr Lehrer Martin Schroeter auf Wie im letzten Jahr schaut er er er nach seinen Schülern Auch in in der Horstlooge braucht man nicht lange zu su- chen Vor dem einst von Nach- barn so genannten „Juden- haus“ hält zwar niemand Wa- che Aber Kerzen und flackern- de Teelichter erinnern mit gleich vier vier Stolpersteinen schon von weitem an vier vier Menschen mit zuletzt gleichem Schicksal Der Hausbesitzer Kaffeegroß- händler und Witwer Gustav Jordan wurde gezwungen drei weitere Bewohner aufzuneh- men: die zwangspensionierte Lehrerin Gella Streim und und das Ehepaar Dr Theodor und und Cla- ra Tuch Mit fast sechzig Jah- ren die die jüngste der Bewohner erhielt die die Lehrerin als erste ih- ren Deportationsbefehl Zwei Monate später wurden ihre Sa- chen abgeholt die Mitbewoh- ner warteten vergeblich auf ein Lebenszeichen aus Polen Sie starb 1941 in Lodz Theodor und Clara Tuch wurden am 19 19 19 Juli 1942 nach nach Theresienstadt und zwei Monate später nach nach Treblinka transportiert wo zur selben Zeit auch Gustav Jordan ermordet wurde Einsame Mahnwache für Dr Max Fraenkel
Die einsamste Mahnwache hiel- ten ten vermutlich die beiden tap- feren Schüler der elften Klasse am Mellenbergweg Gegenüber der dunkle Wald das Haus Nr 55 weit hinten im Garten kein Licht kaum Passanten Sie standen hier zur Erinnerung an an an den den den musikliebenden Nerven- arzt Dr Max Fraenkel
der sich am am 21 März 1938 erschoss um seine arische Familie zu schüt- zen Er war 58 Jahre alt Auf die Frage ob es ihnen – – trotz der Kerzen – – hier nicht un- heimlich sei sagten die erns- ten ten Knaben: „Wir haben uns zu dieser Aktion entschlossen Und jetzt stehen wir das auch durch “ VON VON KARIN VON VON BEHR
Schüler des Walddörfer-
Gymnasiums übernah- men am 9 November die die Aufga- be be be be be über die die an sieben Adressen beleuchteten zehn Stolperstei- ne in in Volksdorf zu informieren Zwischen fünf und und sieben Uhr
wechselten sich im Stunden- rhythmus je zwei Pennäler mit der der Mahnwache ab In der der Dun- kelheit hüteten sie brennen- de rote Friedhofskerzen klei- ne Teelichter und wasserdicht verpacktes Infomaterial Auf weißen Tafeln leuchteten die Fotos früherer Hausbewohner auf Ohne Sturm und Regen aber bei recht frischen Tempe- raturen gaben die Jugendlichen auf Wunsch Auskunft über das einstige Schicksal der hiesigen jüdischen Anwohner Stolpersteine zur Erinnerung Eine Gruppe engagierter Volks- dorfer/Innen pflegt mit „Stol- persteinen“ 10 10 x 10 10 cm klei- nen nen nen beschrifteten Pflasterstei- nen nen aus Beton und Messing (des Kölner Künstlers Gunter Demnig) seit Jahren das An- denken an einst verfolgte jü- dische Mitbürger aus unse- rer Nachbarschaft Ursula und Klaus Pietsch Eva Lindemann
und Heike von Borstel bemü- hen sich im „Geschichtsraum Walddörfer“ – zusammen mit dem Walddörfer Walddörfer Gymnasium und Konfirmandengruppen - - die Erinnerung an an einst verfolg- te te jüdische Nachbarn wach zu halten Während Studienrat Dr Mar- tin Schröter in in diesem Jahr versuchte Schüler der 9 und 11
Klassen auf freiwilliger Ba- sis zu zu Mahnwachen zu zu gewin- nen stellte das Stolperstein- Team notwendiges Material be- reit: Kerzen Personalbögen re- genfest geschütztes Schrifttum Für die Schüler gibt es es es es einen sehr direkten Bezug zum The- ma Einer von ihnen – – Herbert Pincus – – fiel dem Nazi-Wahn zum Opfer Seine Familie leb- te zwar in in der der Eppendorfer Ise- straße 55 erkor die besonders fortschrittliche Schule in in Volks- dorf aber zu seiner Lehranstalt aus Um ihm die täglich weiten Wege zu ersparen gaben sie den elfjährigen Sohn 1932 „in Pen- sion“ - - - zu einem Lehrer im All- horn 64 Dessen Eintritt in in in die NSDAP hatte den den Rauswurf des „Judenbengel“ zur Folge Nach den den Sommerferien 1935 kehrte Herbert nicht mehr in die Schu- le
zurück Die Familie plan- te einen Umzug nach England buchte dann aber eine eine Passa- ge nach Shanghai Weil sie eine eine Nachforderung von 300 Mark aber nicht aufbringen konn- te te te verzögerte sich die Ausreise Am 1 1 1 1 September 1939 brach der Krieg aus 1941 verliert sich die Spur von Herbert Pincus in in in in in in in Minsk Heute erinnern zwei Stolpersteine an ihn: Einer in in in in in in in in der Isestraße und einer im Ein- gang des Gymnasiums Kerzen Rosen und ein ein ein ein kleiner grüner Kranz rahmen seinen Stein Am Wulfsdorfer Weg 79 har- ren zwei junge Mädchen mit Lichtern für den SPD-Mann Al- fred Schär aus Er unterrichtete Taubstumme arbeitete mit Hil- de Wulff zusammen engagier- te te sich im Internationalen So- zialistischen Kampfbund kam im Februar 1937 ins Konzentra- tionslager Fuhlsbüttel und er-
hängte sich wenig später in sei- ner Zelle Am Lerchenberg 18/20 ho- cken ein ein Mädchen und ein ein Jun- ge ge aus der der Gruppe der der jüngeren 9 Klasse auf auf dem Vorgarten- Rasen Sie stehen auf auf schal- ten ten ihre Handies ein beleuch- ten ten den Text über Karl Jan- sen Jahrgang 1910 und er-
zählen abwechselnd stockend dass er er er sich durch eine eine Überdo- sis Schlafmittel aus aus seiner aus-
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