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Ein dreckiges Geheimnis
Text und Interview: Maximilian Marti
Wasser wird in Zukunft weltweit eine ent- scheidende ökonomische Rolle spielen und ist der einzige Rohstoff, über den die Schweiz verfügt. Wasser bedeutet Leben. Warum also kontaminieren wir unsere kostbaren Gewässer, als würde es kein Morgen geben?
Wer Zigarettenkippen, Sixpac-Plastik, Au- tobatterien, TV-Geräte oder Schlimmeres ins Wasser entsorgt, sollte sich selber fra- gen, ob er, zusätzlich zu einem Verfahren, nicht eine kräftige Maulschelle verdient hätte?
Welche ökologische Katastrophe nur ein ein- ziger Zigarettenstummel anrichtet, erklärte mir Thomas Niederer aus Hergiswil. Nach- dem er in Griechenland Tauchen lernte, ent- deckte er zu seinem Entsetzen ein dreckiges Geheimnis unserer Gewässer: Im Gewichts- vergleich befindet sich darin mehr Müll als Fische! Seine Einsicht, dass auf politischer Ebene wenig bis kein Interesse besteht, da- gegen etwas zu unternehmen, veranlasste ihn, aus moralischem Handlungsbedürfnis den Verein SUAT (Schweizer Umwelt- und Abfalltaucher) zu gründen. Seither versucht er in seiner Freizeit, zusammen mit einem Team Freiwilliger und auf eigene Kosten, den Lebensraum Wasser vor dem drohenden Kollaps zu schützen. Innerhalb von sechs Jahren holten er und seine Taucher über 300 Tonnen Müll aller Art aus Flüssen und Seen, wofür er 2016 zum «Held des Alltags» ge- wählt wurde.
Welche Erfahrung haben Sie
im Aargau gemacht?
Thomas Niederer: Einer unserer ersten Tauchgänge fand im Hallwilersee statt. Die Badezone des Seehotels Hallwil sollte von Unrat gesäubert werden. In einer dreistündi- gen Aktion holten sechs Taucher über eine halbe Tonne Müll an Land, darunter ein Fahrrad und ein Kinderwagen.
Welche Art Müll bergen Sie im Allgemeinen?
Wo viele Menschen sind, stossen wir auf viel Abfall. Ob Rhein, Aare, Reuss oder Limmat, überall dasselbe beschämende Bild: Aludo- sen, Flaschen und Feuerzeuge zu Hauf, Hausrat wie Geschirr, Küchengeräte und
Schirme bis hin zu Einkaufswagen, Baustel- lentafeln und Signalisationslampen, Kühl- schränke, Elektro-Werkzeug und Fahrräder zieren den Grund, in Eintracht mit Mofas und anderen schweren Gegenständen. Bei Rheinfelden haben wir sogar einen Tresor gehoben, den wir dann der Polizei überga- ben. In Fliessgewässern wird das «normale», leichtere Littering wie Flaschen, Aludosen, Schuhe und ähnliches leider weitergespült oder bleibt, je nach Beschaffenheit des Grundes, zwischen den Steinen hängen.
Welches sind die gefährlichsten Gegenstände?
Wenn ich auf Boots- und Autobatterien stosse, überfällt mich immer eine kalte Wut, ebenso bei elektronischen Teilen und allem, was in dieser Form einfach nicht in den Zyklus gehört. Aber einer der gefährlichsten Angriffe auf das Gleichgewicht unseres Ökosystems kommt von den Zigaretten- stummeln.
Ein Stummel auf der Wiese ist im Vergleich für die Natur schlimmer als Fukushima für die Menschheit, weil die Giftstoffe einer einzigen Kippe bis zu 400 Liter Wasser kontaminieren! In der Annahme, dass ein Drittel der Schwei- zer Bevölkerung raucht, sind wir bei ca. drei Millionen Rauchern, die täglich mindestens fünf Stummel wegschmeissen. Das ergibt
eine halbe Milliarde Stummel pro Monat, ergo sechs Milliarden im Jahr. Und fast zwei Billionen (2 000 000 000 000) Liter kontami- niertes Wasser! Und nichts wird dagegen unternommen!
Was macht Ihnen am Meisten
zu schaffen?
Die fehlende politische Unterstützung, das generelle Desinteresse der Bevölkerung, die Tatsache, dass wir dringend auf Spenden und Sponsoren angewiesen sind, um we- nigstens die jährlichen Unkosten von rund 35000.– decken zu können. Und dass die Natur auf üble, selbstherrliche Art und Weise missbraucht wird, obschon klar ist, dass diese sich eines Tages rächen wird. Ohne intakten Lebensraum werden wir es auf Dauer nicht schaffen – er ohne uns schon.
Für Infos und Spenden:
www.suat.ch
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