Page 11 - Raiqa
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 DIE MÖGLICH MACHERIN
 Die Adamgasse
verändert sich.
Wieder einmal.
von Philipp Ostermann-Binder
Eigentlich ist so ein Bankhaus unspektakulär. Das, was man aus Filmen kennt und sich vielleicht so mancher Bandit erhofft, Tresorräume mit Gold und Geld oder Schließfächer mit Juwelen und Fremdwährungen gibt es heutzutage kaum noch. Die Digitalisierung hat längst Einzug in die Finanzbranche gehalten. Die Welt hat sich geändert, gewandelt. „War es früher besser?“, fragt Reinhard Helene. Sie denkt kurz nach. „Es war anders“, antwortet Helene Neurauter bewusst und überlegt. Es war nicht alles besser, wie viele Menschen behaupten, die von der Vergangenheit schwärmen. Helene erinnert sich beispielswei- se an den Krieg, der auch in Innsbruck Leid und Angst brachte. Die Nähe ihrer Wohn- und Arbeitsstraße, der Adamgasse, zum Hauptbahnhof hatte stets viele Vorteile, im Zweiten Weltkrieg aber war sie problembehaftet. Denn der Innsbrucker Hauptbahn- hof war ein wichtiger Knotenpunkt der Versorgung, den die Alli- ierten mit allen Mitteln zu zerstören versuchten. So kam es, dass nirgends in Innsbruck mehr Bomben fielen, nur hier. Rund 30 explodierten in Helenes Nachbarschaft, doch nur eine einzige kam ihrem Haus und der familiären Fabrik in der Adamgasse nahe. Von Schäden oder gar Opfern blieben sie verschont.
EINST FLOSS DIE SILL DURCH DIE ADAMGASSE UND TRIEB DORT AUCH DAS WASSERRAD DER FEIGENMÜHLE AN
„Wissen Sie, die Adamgasse war immer eine gute Gasse“, erzählt die 93-jährige Dame Herrn Mayr. Reinhard könnte ihr Sohn sein. Mitte 60 ist der Direktor der Raiffeisen-Landesbank Tirol heute, und die beiden kennen sich schon ein ganzes Leben lang, auch wenn man der Erinnerung ein wenig nachhelfen muss. „Natürlich kenne ich Herrn Direktor Mayr. Ich habe ihn schon oft in der Zeitung gesehen und treffe ihn hin und wieder auf der Straße“, sagt Helene und schaut Reinhard an. Er lächelt. Sie über- legt. „Ach nein, Sie sind doch nicht der Sohn des Herrn Mayr von der Adamgasse?“ Reinhard lächelt mehr. Mayrs Vater war einst der Nachbar von Helene Neurauter. Als Gemischtwarenhändler bot er alles Mögliche in der Gasse feil, Helene Neurauter war oft Gast im Geschäft und traf dort auch auf den damals jungen Burschen. „Heute würde man sagen, mein Vater besaß einen Tante-Emma- Laden“, erzählt er. „Alles, was man brauchte, fand man dort“, weiß auch Helene Neurauter.
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