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ORANGE
Ihre leuchtende Farbe bekamen Möhren erst angezüchtet. Dahinter stecken laut einer Legende politische Gründe
Schon am Montagmorgen, als ich mit den ersten Sonnen- strahlen zum Joggen aufbrechen will, geht es los: Durch unsere Straße rollt der Müllwagen der Stadtreinigung, die Müllmänner tragen orangefarbene Kleidung. Ich frage einen von ihnen, ob er die Farbe eigentlich mag. „Klar“, sagt der junge Mann mit Ring im Ohr, „macht gute Laune und man übersieht uns nicht im Straßenverkehr.“ Er sei, sagt er, schon in zweiter Generation „in Orange“, sein Vater war auch Müllmann bei der Stadtreinigung.
Wenn Bugs Bunny das wüsste!
Am nächsten Tag geht es auf den Wochenmarkt. Es gibt hier herrlich viele Gemüsestände mit einem bunten Sortiment. Die Möhren sind an einem Stand liebevoll übereinanderge- schichtet, die grünen Blätter, das Möhrengrün, sind noch dran. Wäre ein Paradies für Bugs Bunny, den berühmtesten Karottenvertilger der Welt. Warum sind Möhren eigentlich orange, frage ich mich und mache eine kleine Umfrage unter den Marktleuten. „Was weiß ich denn, Mädchen? Irgendwas mit Carotin.“ Die rundliche Verkäuferin schaut mich freundlich an. Ich frage weiter: Stimmt es, dass Möh- ren voller Vitamine stecken? „Na, sehe ich etwa nicht gesund aus?“, sagt die Frau und lacht. Der
Vitamin A herstellen.“ Möhren, sagt er, seien aber nicht von Natur aus orange. Sondern? „Wir Menschen haben sie so gezüchtet. Ursprünglich waren sie ausschließlich weiß, braun, rot oder auch violett. Fast die ganze Farbpalette.“ Ich will es genauer wissen und gehe gleich mit dem Handy ins Internet. Es waren die Niederländer, erfahre ich, die im
17. Jahrhundert der Karotte das Orange angezüchtet haben – einer Legende zufolge aus politischen Gründen: Die Bauern wollten Nationalstolz beweisen und mit der leuchtenden Farbgebung des Gemüses täglich beim Essen dem Königs- haus huldigen. Orange, also „Oranje“, steht bis heute sinn- bildlich für das Königshaus Oranien-Nassau und wird von den Landsleuten immer gern dann angezogen, wenn es etwas zu feiern gibt.
Ich lasse mich weiter über den Markt treiben, trinke an einem Smoothie-Stand ein Glas frisch gepressten Orangen- saft – ein Booster für den ganzen Tag. Der Geschmack zwi- schen sauer, süß, fruchtig und einem Hauch bitter ist köst- lich, ich habe das Gefühl, augenblicklich fitter zu sein. In einer Apothekenzeitung habe ich neulich gelesen, dass man sogar eine von den fünf täglich empfohlenen Obst- und Gemüseportionen mit einem Glas Orangensaft ersetzen
junge Mann, der gegenüber Bio-Gemüse aus der Region verkauft, weiß etwas mehr: „Klar, Möhren enthalten Vitamine, außerdem Kalium und Ballaststoffe.“ Und woher kommt denn nun die Farbe? „Da ist viel Beta-Carotin drin, aus dem Farbstoff kann der Körper dann
„BLONDORANGEN HABEN FRÜHER SAISON ALS BLUTORANGEN.“
kann. Mein Saft besteht aus sogenannten Blondorangen, die eine gelbe bis orangefar- bene Schale und helles Fruchtfleisch haben. Die Blutorangen sind dagegen innen orange bis dunkelrot, ich mag sie ganz besonders. „Haben Sie die vielleicht auch?“, frage ich den Marktverkäufer. Er schüttelt den Kopf.
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