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feierte und man selbst Angst bekam, sich einer kriselnden
Ehe verdächtig zu machen, wenn man nicht gleichzog. Ich,
eine eher introvertierte Couch-Potato mit tief verwurzelter
Unlust zum aufwendigen Orchestrieren solcher Ereignisse,
frage mich angesichts meines nächsten runden Geburtstags
bereits, was schwerer wiegt: mein Bedürfnis, den Tag einfach
zu ignorieren. Oder die Enttäuschung meiner Freundinnen
und Freunde, nicht eingeladen zu werden?
Warum will ich bei so vielem nicht mitmachen, das ande-
ren offensichtlich Halt und Freude spendet? Bei mir liegt es
eindeutig am Korsett der To-dos, die das Erwachsenenalter
mit sich gebracht hat und in dem sich jede neue Festivität,
jeder neue Jahrestag leicht drückend anfühlt (Räucherstäb-
chen kaufen! Passendes Geschenkpapier! Daten mit Feier-
gästen abstimmen!).
Aber ich habe das jahrelang gewissenhaft mitgemacht,
glauben Sie mir. Als ich Mutter wurde, ging mir bei der
Lektüre diverser Elternratgeber in Fleisch und Blut über:
Rituale sind für Kinder wichtig! Ihre Verlässlichkeit macht
kleine Menschen zu gefestigten Charakteren statt zu
innerlich orientierungslosen Schwerverbrecherinnen und
-verbrechern. Also installierten wir jede Menge Gepflogen-
heiten, auf die bombenfester Verlass war: der Kranz aus
Gartenblumen um den Frühstücksteller des Geburtstagskin-
des. Ostereierauspuste-Marathons, immer mit den gleichen
Nachbarskindern. Halloween uferte versehentlich so sehr
aus, dass dieses Event nun im Bedeutungsranking bei
meinen Kindern gleichauf mit Ostern und Weihnachten
liegt (nur dass die aufwendige Deko im ganzen Haus nur
drei Tage statt drei Wochen hängt). Mein Mann bekam
traditionell jeden Abend vor Muttertag Stress mit den
Kindern, weil er sie zu rührseligen Strichzeichnungen für
mich überredete, denen ich die Unlust förmlich ansah und
die mir viel weniger bedeuteten als all die kleinen sponta-
nen Liebesbekundungen, die ich während des restlichen
Jahres von ihnen bekam.
Jetzt, wo meine Kinder keine kleinen Kinder mehr sind,
sondern zu zotteligen Teenagern werden, hatte ich mich
gefragt, ob es verwerflich wäre, wenn wir die Sache mit den
Ritualen wieder etwas runterschrauben. Meine Tochter
scheint da anderer Ansicht zu sein: Der Drehständer mit dem
Herzchenzeug liefert ihr die Idee für ein neues Ritual, für das
sie begeistert bereit ist, ihr Taschengeld auf den Kopf zu
hauen, auch ohne einen echten Adressaten. Nun trägt sie
sich mit dem Gedanken, ihrem ältesten Kindergartenkumpel
irgendwas zu schenken, in der heiklen Hoffnung, er würde
die Geste nicht überinterpretieren.
Ich frage mich oft: Wie viel von unseren Ritualen ist wirk-
lich echt? Nicht geleitet von Erwartungshaltungen oder
Instagram-Fähigkeit? Ich will keine Spielverderberin sein,
aber können wir kurz drüber nachdenken, von welchen Ritu-
alen wir wirklich zehren, an die wir uns später noch mit war-
mem Gefühl erinnern? Die behalten wir. Alle anderen – die,
bei denen wir uns die Hacken ablaufen, um sie zu organisie-
ren, die uns unaufmerksam machen dem gegenüber, worum
es eigentlich gehen sollte, misten wir ganz einfach aus. Apro-
pos Ausmisten: ein völlig unterschätztes Ritual. Oder? ●
TINA RÖHLICH
Die Hamburger Autorin schreibt
Reportagen und Kolumnen für Wohn- und
Frauenzeitschriften. Auch wenn sie sich für
die meisten Rituale nur wenig erwärmen
kann, brennt sie mit ihrer Familie für ein
jährlich wiederkehrendes: „Ein allerletztes
Mal Weihnachtsplätzchen backen, weil wir
die so gern mögen und es viel zu schade
finden, wenn der Vorrat nach den
Feiertagen ratzeputz verzehrt und nichts
mehr fürs Frühjahr übrig ist.“
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