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WESLEY SO GEWINNT US-MEISTERSCHAFT IM DRITTEN ANLAUF
Text: IM Dmitrij Kollars / Fotos: St. Louis Chess Club
Wesley So hat in seinem dritten Anlauf den Titel der US-amerikanischen Ein- zelmeisterschaft errungen. Nachdem er zuletzt orkanartig über Superturnie- re wie den Sinquefiefld Cup, die Lon- don Chess Classics und Wijk an Zee hinwegzog, tauschte So in Saint Louis vormals gezeigte Dominanz mitunter gegen pragmatisches Kalkül. Er sicher- te den geteilten ersten Platz durch ein Blitzremis in der Schlussrunde mit sie- ben Punkten ab und bezwang im mit den letzten Momenten an Dramatik aufnehmenden Stichkampf den Über- raschungsspieler Alexander Onischuk.
Die Meisterschaft der Damen gewann sensationell Sabina-Francesca Foisor. Abgeschlagen im Mittelfeld gesetzt und gestartet, beendete sie ihr Turnier mit einem Damenopfer, welches an das Fi- nale des letzten Weltmeisterschafts- kampfes erinnerte und schloss mit 8 Punkten aus 11 Partien ungeteilt an der Spitze des Podests. Während viele Landesmeisterschaften immer wie der
durch neue, prominente Umgebungen wandern - das russische Superfinal wurde zuletzt ins naturgeschichtlichen Staatsmuseum von Nowosibirsk ein- quartiert, die polnische Meisterschaft ging 2017 gar an die Warschauer Börse - hat die US-Meisterschaft in den letz- ten Jahren eine feste Bleibe gefunden.
Schon seit 2009 haust sie im Scholastic Center von Saint Louis, den dreistöcki- gen Vereinsmauern des lokalen Schach- klubs mit über 500 Mitgliedern. Unter dem Einfluss des unermüdlichen Un- terstützers Rex Sinquefield laufen hier inzwischen alle wichtigen Ereignisse des US-Schachs zusammen, neben den Landesmeisterschaften aller Klassen und dem Sinquefield-Cup finden jähr- lich über 80 kleinere Turniere statt. Die 61.US-Meisterschaft vermeldete mit dem beeindruckenden ELO-Durch- schnitt von 2683 ihrer 12 Teilnehmer, inklusive des Titelverteidigers Carua- na sowie den Top-Ten-Spielern Naka- mura und So einen neuen Höchstsand
in der Meisterschaftsgeschichte. Die gegebene Zahlenflut füllte eine Palette schachlicher Persönlichkeiten aus; vom stets bescheidenen Weltklassespieler So, dem 16-jährigen Juniorenweltmeis- ter Jeffrey Xiong bis zum Weltmeister- sekundanten sowie Teilnehmer der Reality-TV-Sendung „Kicking and Screa- ming“, Samuel Shankland, versammel- ten sich eine Reihe unterschiedlichster Topgroßmeister im Central West End von Saint Louis.
Noch im März hatte sich Shankland Machete-schwingend durch ein von Kameras geflutetes Dschungelgebiet gekämpft, gewann den Überlebens- kampf, doch verlor die Jagd nach dem Geld. Mit dem Turnierstart lief im 61. Titelringen vieles von der Norm ab, die sich in den letzten Jahren etab- lierte. Die anerkannte Überlegenheit der Favoriten nämlich zerschellte meist am hartnäckigen Widerstand ih- rer ebenfalls hochklassigen Kontra- henten.
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R O C H A D E E U R O PA MAI 2017