Page 26 - Volksdorfer Zeitung Februar 2017
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EISIGE PHÄNOMENE
Die Jagd auf „Volksdorfer Eisbänder“
Eine spannende Geschichte über ein „Wunder der Natur“
VON DIETER LEHMANN
„Eisbänder“ ??? – Gibt
es denn Bänder aus Eis, so wie es Bänder aus Baum- wolle gibt, die man verkno- ten oder verweben kann ??? Mann kann diese Bänder nicht verknoten, auch Frau kann nicht – aber eine Frostnacht kann!
Am 25.Januar 2012 sah ich zum ersten Mal - beim mittäg- lichen Gang durch den Garten - am Kopf des Stützstabes ei- ner Vogelwippe, unterhalb des kleinen Stütztellers, seltsame graue Bänder. Ich konnte sie gerade noch vor den aufräu- menden Händen meiner Frau retten, die dazukam. Sie mein- te, sie hätte diese dort verfan- genen Bänder im Herbst wohl übersehen. Aber, es waren kei- ne Bänder aus Kunststoff- oder P anzenresten!
Nach dem Aufnehmen eini- ger Fotos wurde die Konsistenz genauer untersucht. Es stellte
sich heraus, die Bänder waren aus Eis – und bald darauf in den wenigen Sonnenstrahlen des Februartages zerschmolzen.
Ein kleiner „Volksdorfer Kri- mi“ begann, denn es war nicht sofort ersichtlich, wo und wie diese Eisbänder gebildet wur- den.
Ein Anruf im Meteorologi- schen Institut Hamburg brach- te keine Klärung. Eisgebilde dieser Art waren dort nicht be- kannt, sie waren bisher im Nor- den Deutschlands nicht be- obachtet worden. Der Ver- weis an einen „Eisspezialis- ten“, einen Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Me- teorologie, brachte einen ers- ten Hinweis. Im Internet hatte er Fotos solcher Eisbänder (ice ribbons) aus Nordamerika ge- sehen. Die Internetadresse lau- tete: jrcarter@ilstu.edu . James R. Carter ist (inzwischen eme- ritierter) Professor am Geogra- phy-Geology Department der Illinois State University. In sei-
nen Veröffentlichungen sind Fotos von Sheryl Terris aus Ka- nada zu sehen. Sie zeigen “Eis- bänder“ (ice ribbons) an Stahl- geländern (siehe z.B. Extruding Ice from Steel Fences and Pipes with Diurnal Freeze/Thaw – im Internet unter http://my.ilstu. edu/~jrcarter/ice/diurnal/ext- rude/.
Erschwerend war, dass nicht ohne weiteres zu erkennen war, ob der 10 mm dicke Stützstab aus einem Vollstab oder aus ei- nem Rohr besteht. Mit Hilfe ei- nes sehr dünnen Drahtes konn- te man erkennen, dass der Stab hohl, also ein Rohr, war. Außer- dem konnten durch sehr hef- tige Bewegungen Wasserreste aus dem Stab geschüttelt wer- den. Für die „Volksdorfer Eis- bänder“ wurde daher eine ähn- liche Entstehungsgeschichte er- wartet, wie für die von Sheryl Terris an den Rohren der Stahl- geländer beobachteten.
Die Eisbänder kamen aus sehr kleinen Öffnungen zwi-
schen den Schweißpunkten mit denen der Stützteller der Vogel- wippe auf dem Stützstab ange- schweißt . Die Eisbänder ent- stehen, wenn sich in den Stä- ben der Stahlstrukturen Wasser bilden kann. Bei Frost gefriert es zu Eis, das sich ausdehnt und durch kleine Öffnungen in den Stäben ausgepresst – extrudiert wird. Die Formgebung der Eis- bänder hängt von der sehr un- gleichmäßig verteilten Reibung an den Kanten der kleinen Öff- nungen und natürlich von der Schwerkraft ab. Einige Male wurden Bänder, die sich bereits mit einigen Zentimetern Län- ge gebildet hatten, plötzlich mit einem lauten, scharfen Knall abgesprengt. Die Beobach- tung der Eisbänder hat also im wahrsten Sinne des Wortes et- was mit einer Jagd gemeinsam.
7 Den gesamten Beitrag mit weiteren Fotos finden Sie im Internet auf den Seiten der www.volksdorfer-zeitung.de!
Geheimnisvolle Eisbänder können sich in einer frostigen Nacht an allerlei Stäben und Stützen im Garten bilden.
26 VolksdorferZeitung Februar 2017


































































































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