Page 23 - AWD_Classics_Book_201105
P. 23

Ich verfüge über einen 4887 cm3 Hubraum grossen 6-Zylinder Reihenmotor, der 170 PS leistet. Meine (allerdings nie beanspruchte) Höchstgeschwindig- keit wird mit 106 Meilen = 170 km/h angegeben und mein mittlerer Verbrauch beläuft sich auf
18.5 l/100 km. Ich bin gewissermassen das Nest- häkchen meiner zwischen 1955 und März 1959 gebauten Generation, meine jüngeren Geschwister S2 folgten ab April 1959 und verfügen bei bau- gleicher Karosserie über einen 6700 cm3 Hubraum grossen 8-Zylinder Motor, der 200 PS leistet.
Mein heute dritter Besitzer ist ein verschmitzt dreinblickender schnauzbärtiger Architekt aus Basel, der mich in London ersteigert hat und dann in der Basler Rolls-Royce & Bentley Werkstatt Wederich, Donà liebevoll restaurieren liess. Mein nunmehr 7-jähriges Dasein in Basel darf als «sehr gepflegt» definiert werden. Schnauzbart schonte mich redlich, es gab schöne Ausflüge an sonnigen Sonntagen und ich wurde nie (leistungsmässig) «getreten». Ganz im Gegenteil: zu zwei Anlässen durfte ich als zentraler Blickfang glänzen. Zum 90-jährigen Geburtstag eines bekannten Herrn aus Schinznach, montierte mir Schnauzbart eine Doppelfahne auf die Kühlerfigur, die das Familien- wappen und das Schinznacher Wappen zeigte.
Unter lautem Gehupe und freundlich winkend, fuhr ich durch das Dorf unter fröhlichem Gejohle aller Bewohner, die sich alsdann zum Festschmaus einfinden sollten. Das andere Mal durfte ich als «Hochzeitskarosse» fungieren, was nicht minder Beachtung fand.
Mein lieber Schnauzbart wird Euch nun noch erzählen, wie ich zu meinem Spitznamen «Sir George» kam. «Das «Sir» klingt respektvoll und suggeriert einen Hauch von Aristokratie. Das ist na- türlich eine subjektive Wahrnehmung: wenngleich die Modelle von Bentley und Rolls-Royce bis 1981 baugleich waren und mit identischen Motoren be- stückt wurden. Ganz allgemein, für damalige Zeiten einen gehobenen und luxuriösen Ausstattungs- standard vorwiesen, die «aristokratische» Eleganz und Anmut der Linien stehen dafür für sich.
Ich habe immer behauptet, dass die beiden Marken den Höhepunkt zeichnerischer Eleganz (damit ist das Jahr 1938 gemeint) bis in die späten 50er Jahre mitgenommen haben. Mit einem unverwechsel- baren britischen «Flair». Was mich an «Sir George» (wie auch an seinem Vorfahren, dem «R»-Type) ästhetisch begeistert, ist nebst der ausgestreckten Eleganz der Seitenansicht, die Vollkommenheit der Linienführung an der Frontpartie.»
  




























































































   21   22   23   24   25