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Geschichte
Oberst Julien-Désiré Schmaltz, mit seiner Frau, seinem Gefolge und einem Kontin- gent Marineinfanteristen als neue Garni- son von Saint-Louis.
Da Oberst Schmaltz darauf bestand, so schnell wie möglich nach Saint-Louis zu gelangen, wählte de Chaumareys die kür- zeste, aber wegen zahlreicher Untiefen ris- kante Route nahe der afrikanischen Küste. Trotz ihrer auf 160 Mann reduzierten see- männischen Besatzung war die Méduse schneller als die übrigen Schiffe des klei-
Zeichnung des notdürftig zusammen gezimmerten Floßes
Überlebenskampf auf dem Floß
scheiterten angesichts der Inkompetenz des Kommandanten, sodass die Fregatte schließlich aufgegeben wurde. Für die 400 Personen an Bord standen lediglich sechs Beiboote zur Verfügung, die neben den Rudermannschaften vor allem Kapitän de Chaumareys sowie die hochrangigen Offi- ziere und Passagiere aufnahmen. Der Platz reichte jedoch nur für die Hälfte der Schiff- brüchigen aus, weshalb aus Spieren und Planken notdürftig ein Floß zusammen- gezimmert wurde, auf dem sich 147 Men- schen drängten, während weitere 17 es vorzogen, an Bord der gestrandeten Fre- gatte zu bleiben.
Der Plan sah vor, dass vier der Boote das Floß in Schlepp nehmen und nach Saint-Louis ziehen sollten. Doch bereits nach kurzer Zeit wurden die Schlepplei- nen gekappt und die verzweifelten Men- schen auf dem nicht steuerbaren, kaum seetüchtigen Floß ihrem Schicksal über- lassen. Zehn Tage lang trieben sie hilflos auf dem offenen Meer. Schon bald waren die knappen Vorräte an Wasser und Provi- ant verbraucht, sodass es unter den um ihr Überleben kämpfenden Schiffbrüchigen zu brutalen Gewalttaten, Mord und Kan- nibalismus kam. Als die Brigg Argus am 17. Juli durch Zufall das Floß entdeckte, konn- ten nur noch 15 Personen gerettet werden. Von den an Bord der Méduse Verbliebe- nen waren nur drei dem Tod entronnen. Dagegen hatten die meisten der Schiffbrü- chigen in den Beibooten erschöpft, aber lebend Saint-Louis erreicht.
Die Strandung der Méduse und das ekla- tante Fehlverhalten von Kapitän de Chau- mareys lösten in Frankreich und in ganz Europa einen Skandal aus, der dem Anse- hen der gerade erst wiederhergestellten französischen Monarchie schweren Scha- den zufügte. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich musste sich de Chaumareys einem Kriegsgerichtsverfahren stellen,
das ihn wegen seiner nautischen Inkom- petenz und des Verlassens seines Schiffes schuldig sprach und zu drei Jahren Haft verurteilte, was angesichts der katastro- phalen Folgen seiner Fehlentscheidun- gen ein – vorsichtig formuliert – überaus mildes Urteil war. Bis heute gegenwärtig geblieben ist der Verlust der Méduse vor allem durch das berühmte, 1818/19 vom französischen Maler Théodore Géricault geschaffene Gemälde „Das Floß der MedusA“. Es zeigt die Überlebenden des Floßes im dramatischen Moment der Ent- deckung durch die Argus. Es hängt heute im Louvre in Paris. 7
„Die Unglücklichen, welche der Tod in der grauenvollen Nacht verschont hatte, fielen über die Leichname her, mit denen das Floß bedeckt war, und teilten sie in Stücke, die von einigen auf der Stelle verschlungen wurden; viele andere, und darunter die meis- ten Offiziere, rührten sie nicht an. (...) Einige aßen Leinenzeug, andere Hut- leder, woran ein wenig Fett oder viel- mehr Schmutz war, allein wir hielten es nicht lange aus. (...) Verzehrt von Hun- ger und Durst, weckte unser Wim- mern oft den Unglücklichen, der sich neben uns befand; das Wasser ging uns bis ans Knie, folglich konnten wir nur stehend schlafen, und zwar dicht aneinandergepreßt, um eine unbe- wegliche Masse zu bilden. (...) Wir warfen die Leichname ins Meer und behielten nur einen, welcher nun denen zur Nahrung dienen sollte, die noch den Tag zuvor seine zittern- den Hände gedrückt und ihm ewige Freundschaft geschworen hatten.“
Alexandre Corréard, Der Schiffbruch der Fregatte Medusa, 1818
Méduse unter vollen Segeln
nen Verbandes, sodass diese alsbald den Kontakt zu ihrem Führungsschiff verloren. Zudem kam die Fregatte aufgrund fehler- hafter Navigation weit vom Kurs ab.
Am 2. Juli 1816 geriet die Méduse unbe- merkt in das flache Wasser der Arguin- Sandbank vor der Küste Mauretaniens und lief bei Hochwasser rund 20 sm von der Küste entfernt auf Grund. Alle Ver- suche, das Schiff wieder flott zu machen,
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