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MARITIME SICHERHEITSPOLITIK
Maritime kritische Infrastrukturen
Julian Pawlak*
In der vergangenen Ausgabe von Leinen los! wurde an die- ser Stelle durch meinen Kollegen Johannes Peters gesell- schaftliche Resilienz thematisiert. Insbesondere hinsichtlich
der Kapazitäten des Gesundheitssektors und der psychischen wie sozialen Durchhaltefähigkeit von Gesellschaften handelt es sich dabei um reale Probleme, die während der aktuellen Pandemie Aufmerksamkeit erlangen. Deutlich wird, dass der Resilienzbegriff mittlerweile in verschiedensten Disziplinen, von der Psychologie bis hin zur Sicherheitspolitik, verwendet wird. Grundsätzliche Einigkeit findet sich bei den Definitio- nen in der Widerstandsfähigkeit sowie der Bewahrung der Identität bzw. des ursprünglichen Zustandes des jeweiligen Objektes oder aber der Fähigkeit zur ggf. schnellen Rück- kehr zu diesem. (Strategische) Resilienz geht dabei stets mit etwaigen Vulnerabilitäten (Verwundbarkeiten) einher, denen versucht wird, entgegenzuwirken und ihre Wahrscheinlich- keiten sowie Risiken zu minimieren.
Auch im Rahmen maritimer Sicherheitspolitik spielt Resilienz eine nicht zu vernachlässigende Rolle, vor allem im Hinblick auf kritische Infrastrukturen (KRITIS). KRITIS definiert das Bun- desamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe als „Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Be- einträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder ande- re dramatische Folgen eintreten würden“. Mit Blick auf mari- time kritische Infrastrukturen findet dies in unterschiedlichen Sektoren und Branchen Bestätigung: die großen deutschen Häfen an den Küsten wie im Binnenland sind praktisch un- abdingbar für wirtschaftliche Transporte und somit die Ver- sorgungssicherheit der Gesellschaft. Auch elementare Teile der Energiesicherheit erreichen die Bundesrepublik auf ma- ritimen Routen, wobei es sich nicht bloß um Importe von Öl oder Gas an Häfen und Terminals handelt, sondern auch um den Zugang zu Erneuerbaren Energien, wie Offshore-Anla- gen oder den Zufluss von Rohstoffen über Pipelines. Wich- tiger als je zuvor sind heute zudem Tausende Kilometer an verlegten Seekabeln, die für Daten und Energieströme ver- wendet werden.
Externe Gefahren für maritime KRITIS in Nord- und Ostsee können von diversen Akteuren ausgehen. Ist die derzeitige Wahrscheinlichkeit für offene staatliche Angriffe gering, blei- ben Gefahren durch nicht-staatliche Akteure und kriminelle Vereinigungen bestehen. Dies untermauerte zuletzt die im August 2019 durchgeführte gemeinsame Anti-Terrorübung von Deutscher Marine und Polizeien vor Wilhelmshaven. Wäh- rend diese Übung die Übernahme eines Frachters durch eine terroristische Gruppe simulierte, gelten Erpressungen, Da- tendiebstahl oder Cyberangriffe als weitere potenzielle Ge-
fährdungslagen. An dieser Stelle wird auch der Übergang zur Möglichkeit (verdeckter) staatlicher Operationen unterhalb der Schwelle zum zwischenstaatlichen Konflikt deutlich. Sub- versive Einsätze oder Sabotagen durch Spezialeinheiten und private Militärunternehmen mit zivil hergestellten Drohnen sowie verschiedenste Cyberattacken sind nur schwierig ei- nem tatsächlichen Urheber oder Auftraggeber zuzuordnen. Das Bewusstsein über diese physischen wie digitalen Risiken und Vulnerabilitäten ist Teil strategischer Resilienz. Durch die engmaschige Verstrickung von zivilen und staatlichen Stellen müssen Betreiber, Behörden, Länder und Kommunen Hand in Hand gehen, um die Sicherheit und Resilienz maritimer kri- tischer Infrastrukturen zu gewährleisten.
* Julian Pawlak ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sicherheitspolitik Universität Kiel (ISPK).
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