Page 14 - Leinen los! 10/2023
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Mensch.Schifffahrt.Meer.
Gute Perspektiven im U-Bootbau
Hans Jürgen Witthöft
Die Nachfrage nach konventionellen U-Booten von thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) ist groß und besonders
das U 212-Design mit seinen Varianten international gefragt. Wie sehr das Unter- nehmen von der anhaltenden Nachfrage überzeugt ist, beweist allein der Bau der großen Bauhalle, die so ausgelegt ist, dass U-Boote dort rascher gefertigt wer- den können – um 20 % zeitverkürzt, kün- digte Vorstandschef Oliver Burkhard kürz- lich in einem Interview an. In der Halle werden auch die Boote der neuen Klasse U 212 CD gebaut.
Nach offiziellen Angaben befinden sich aktuell 19 Boote in der Konstruktion oder bereits im Bau und die Chancen, dass der Auftragsbestand in naher Zukunft noch aufgestockt wird, sind mindestens aus- sichtsreich. Zuerst zu nennen ist dafür die Hoffnung, dass der deutsch/norwegische Auftrag über zwei Einheiten des Typs 212 CD für die Deutsche Marine und vier für die norwegische noch aufgestockt wird. Das aber ist gegenwärtig noch zweifelhaft, vor allem, was die deutsche Seite angeht. In Berlin ist man immer noch sehr zöger- lich, was den nachvollziehbaren Bedarf der Bundeswehr angeht.
Realistischer ist die Finalisierung des im Juni anlässlich des Besuchs von Verteidi- gungsminister Pistorius in Indien unter- zeichneten Vorvertrags über den Bau von sechs konventionellen U-Booten mit außenluftunabhängigem Antrieb für die Marine des Riesenlandes. Der Bau der Boote würde in Indien bei Mazagon Dock Shipbuilders in Mumbai erfolgen mit wesentlichen Zulieferungen aus Kiel. Mit einer kurzfristigen Auftragserteilung wird allerdings nicht gerechnet, da die Ange- botsbewertung sehr formal und, wie in Deutschland, mit hohem administrati- ven Aufwand verbunden ist.
Eine gewisse, aber wohl nicht unbe- rechtigte Hoffnung auf Beschleunigung besteht, weil tkMS auf eine über vier Jahrzehnte zurückreichende bewährte Geschäftsbeziehung mit Mazagon bli- cken kann. Sie begann in den 1980er-Jah- ren mit dem gemeinsamen Bau von vier dieselelektrisch angetriebenen U-Booten. Die ersten beiden Boote sind in Deutsch-
Das 1984/86 gebaute U-Boot INS SHankuSH wird gemeinsam von Mazagon Dock Shipbuilders und tkMS modernisiert
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land gebaut worden, die anderen beiden in Indien bei Mazagon. Mit der INS sHi- sHumAr ist ab 2018 dann das erste dieser Boote bei Mazagon gemeinschaftlich mit tkMS auf den Stand der Zeit gebracht worden. Für die Modernisierung eines zweiten Bootes aus der Serie, die sHAN- kusH, ist Mitte dieses Jahres ein weiterer Vertrag mit Mazagon geschlossen wor- den. Drei Jahre sind für die Arbeiten ver- anschlagt. Die indische Werft fungiert dabei als Generalunternehmer, tkMS lie- fert Materialpakete ausgewählter Sys- teme, Geräte und Komponenten und ist zuständig für die technische Unterstüt- zung vor Ort sowie für die Druckkörper- inspektion.
Zusätzliche Hoffnung auf weitere Beschäf- tigung erlaubt die Bewerbung um den Auftrag der niederländischen Marine über vier U-Boote, mit denen diese ihre in den 1990er-Jahren in Dienst gestellten vier Boote der wAlrus-Klasse ersetzen will. Dafür hat tkMS Ende Juli die erforderli- chen Unterlagen eingereicht. Dabei muss sich tkMS noch gegen starke Konkurrenz aus Frankreich und Schweden durchset- zen. Die Kieler Werft bietet eine Variante ihres gemeinsam mit Norwegen entwi- ckelten Typs 212 CD an. Das niederlän- dische Verteidigungsministerium hat für das erste Quartal kommenden Jahres eine Entscheidung in Aussicht gestellt. Die Nie- derländer erwarten von den Bietern eine enge Zusammenarbeit mit heimischen Unternehmen.
Die große Schiffbauhalle dominiert die Werftanlagen
Es gibt also viel zu tun, und es besteht die Aussicht, dass es noch mehr zu tun gibt. Dabei kommt dann die vor einem Jahr erworbene Werft in Wismar ins Spiel. Dort könnten, sobald der große Passagierschiff- neubau das Baudock verlassen hat und die notwendigen technischen Anpassun- gen erfolgt sind, Neubauten entstehen. In dem 3400 m langen und 67 m breiten Dock sogar zwei U-Boote oder Überwas- ser-Einheiten wie Fregatten oder Korvet- ten gleichzeitig. tkMS steht praktisch in den Startlöchern, wenn das Dock voraus- sichtlich in der ersten Jahreshälfte 2025 frei wird. Schon jetzt sind über 100 Inge- nieure und Techniker sowie fast 30 Auszu- bildende und Dualstudenten vor Ort und machen sich mit den Gegebenheiten ver- traut. Maßgeblich für die spätere Beschäf- tigung wird nach Unternehmensangaben aber die Beauftragung weiterer U-Boote durch den Bund sein. Bei einem Hochlauf der Produktion könnten laut tkMS rund 800 Mitarbeiter eingestellt werden. Bei zusätz- lichem Auftragseingang im Überwasser- bereich würde sich die Zahl am Standort Wismar sogar auf gut 1500 erhöhen. Dar- aus folgt: je mehr Aufträge, desto mehr Arbeitsplätze. 7
Fotos: tkMS


































































































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