Page 318 - FINAL_The Sixteen Coverage Book 40th Anniversary Year
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Giovanni Pierluigi da Palestrina
The Sixteen, Harry Christophers
Palestrina ganz frisch
So ist die Tour durch das geistliche Werk Palestrinas ein echtes Vergnügen: Harry
Christophers und The Sixteen mit einer wirklich gelungenen achten Folge ihrer
Reihe.
Aktuell liegt die achte Folge der – angesichts von allein 104 überlieferten Messen ist das kein
Wunder – nicht auf Vollständigkeit ausgelegten Palestrina-Reihe beim Label Coro vor, die
Harry Christophers mit seinem famosen Vokalensemble The Sixteen seit einigen Jahren
vorantreibt. Sie folgt wie ihre Vorgängerinnen der überzeugenden Grundidee, eine der
fabelhaft qualitätvollen Messen mit inhaltlich verwandten Motetten zu kombinieren. Hier steht
die achtstimmige, erst posthum erschienene 'Missa Fratres ego enim accepi' im Zentrum, die
inhaltlich auf eine ebenfalls im Programm vertretene Motette gleichen Titels Bezug nimmt, in
der es um den zentralen Punkt des letzten Abendmahls geht, mithin eines der großen
Mysterien der christlichen Kirche, sei es nun als Sakrament angesprochen oder nicht. Die
Messe ist eine der ausgreifendsten Kompositionen ihrer Art aus der Feder Palestrinas,
balanciert in der Architektur, klar und fasslich wirkend, zugleich von erkennbar mirakulöser
Qualität: Man kann sich beim Hören nur dieser einen Messe leicht erklären, warum Palestrina
von vielen Rezipienten seiner Zeit und etlichen der nachfolgenden Generationen als idealer
Exponent des kontrapunktischen Prinzips apostrophiert wurde.
Vor und nach der Messe erklingen Motetten, die inhaltlich der Karwoche mit dem letzten
Abendmahl zuzuordnen sind, dem finalen Passionsgeschehen zustrebend und mit 'Victimae
paschali laudes' in die Sphäre des Österlichen einmündend. Dazu sind noch drei Sätze aus
Palestrinas Hohelied-Œuvre eingebunden, das neben den Madrigalen zu den bekanntesten
Werken des Komponisten zählt, exquisite Musik auch dies. Harry Christophers verbindet das
wunderbare Material in zwingender Konzeption zu einem schönen Erlebnis, das sogar einer
gewissen inneren Dramatik nicht entbehrt.
The Sixteen als musikalisches Kraftpaket
Zum Klangerleben trägt natürlich alles entscheidend der Chor bei: Entgegen seinem Namen
sind es hier nicht sechzehn, sondern achtzehn fabelhafte Sängerinnen und Sänger, die sich
strömend verbreiten. Das Ensemble verfügt über Expertise auf vielen Feldern: Am Beginn,
vor mittlerweile 40 Jahren, stand die Pracht der englischen Vokalrenaissance, schon das
geriet uneingeschränkt eindrucksvoll, auf noch heute verfügbaren Platten nachzuhören. Dann
griffen Ensemble und Gründer programmatisch immer weiter aus, auf den Kontinent, in
barocke Sphären, bis heute zudem zu einer eminenten Größe im modernen Repertoire gereift
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