Page 115 - Werder-Schach-Magazin-2015-1
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Gute Schacheröffnungen (Folge 10)

In dieser Ausgabe ist die Überschrift etwas missverständlich für den
folgenden Artikel, denn dieser behandelt die Englische Verteidi-
gung. Nun bin ich aber der Meinung, dass die Englische Verteidi-
gung, die durch die Eröffnungszüge 1.d4 e6 2.c4 b6 gekennzeichnet
ist, eben gerade keine gute Eröffnung ist, da sie Weiß freie Hand im
Zentrum lässt. Trotzdem passt der Artikel in die Serie. Man muss ihn fol-
gendermaßen verstehen. Weiß eröffnet mit guten Zügen 1.d4 und 2.c4. Der zweite schwar-
ze Zug ist bereits etwas fragwürdig, da er im Kampf um die Kontrolle des Zentrums nichts
leistet. Konsequenterweise kommt Weiß mit 3.e4! Lb7 4.Ld3! in Vorteil.

Im Chessbase-Magazin 161 hat Hannes Langrock einen interessanten Theorieartikel publi-
ziert, der die Probleme des Nachziehenden aufzeigt. Nach 4.Ld3 hat Schwarz drei sinnvolle
Züge:

    1.	 Der „alte“ Zug 4. ... f5 ist praktisch widerlegt. Auf 5.exf5 kann Schwarz nicht mit dem
         Läufer auf g2 schlagen. Weiß opfert einen Turm und erhält vernichtenden Angriff.
         Ich habe vor sage und schreibe 35 Jahren bereits einmal auf diese Art und Weise
         eine Partie verloren. Stand der Dinge ist hier immer noch die Partie Walter Brow-
         ne-Tony Miles (Reno 1999). Nach dem frühen Tod von Tony Miles hat kein Groß-
         meister es mehr gewagt diese Variante in einer Turnierpartie zu spielen. Auch 5....
         Lb4+ 6.Kf1 Sf6 7.Sf3 0-0 8.a3 Ld6 9.Sc3 ist besser für Weiß, wie die Partie Ruslan
         Sherbakov- Alexander Volzhin (Koszalin 1999) gezeigt hat.

    2.	 Nach 4. ... Lb4+ 5.Ld2 Lxd2 6.Dxd2! f5 7.Sc3 Sf6 8.f3 kommt Weiß in Vorteil, wie
         die Analyse der Partie Valentin Iotov-Gergely Andras Szabo (Pleven 2010) verdeut-
         licht.

    3.	 Es bleibt nur eine spielbare Variante für Schwarz, nämlich 4. ... Sc6 5.Se2 Sb4.
         Schwarz holt sich so das Läuferpaar. Allerdings kontrolliert Weiß das Zentrum und
         verfügt über viel mehr Raum. Dies verspricht ihm einen kleinen, aber soliden Vor-
         teil. Nach 6. 0-0 Sxd3 7.Dxd3 d6 8.Sbc3 Sf6 9.d5! beugt Weiß dem schwarzen
         Gegenstoß ... d5 radikal vor und sperrt den Läufer b7 ein. In der Partie Maxim Rod-
         stein- Attila Czebe (Biel 2012) hatte Schwarz es nicht leicht.

Aufmerksam wurde ich auf die englische Verteidigung durch eine Partie von Matthias Blü-
baum gegen Attila Czebe, gegen den ich selbst schon einmal bei einem Open in Hamburg
Remis gespielt habe. Czebe ist ein Experte in dieser Variante. Doch das nützte ihm nichts:
Matthias Blübaum setzte den Raumvorteil instruktiv in einen vollen Punkt um.

Nebenbei liefert dieser Theorieartikel auch noch die Antwort auf die Frage, ob eigentlich auf
1.c4 der Zug ... b6 gut ist. Die Antwort lautet nein, denn Weiß kann natürlich 2.d4 spielen
und dann hat Schwarz nichts Besseres als 2. ... e6.

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