Page 131 - Werder-Schach-Magazin-2015-1
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Die Studienecke (80)

von Dr. Oliver Höpfner

Auch 2015 möchte ich meine kleine Reihe mit Aufgaben des Bremer
Schachmeisters Carl Carls fortführen. Trotz seiner starken beruflichen
Belastung in seiner Funktion als Direktor der „Creditbank zu Bremen e. G.
m. b. H.“ fand er dennoch gelegentlich Zeit, an überregionalen Turnieren
teilzunehmen. 1911 bekam er durch seinen Sieg mit 7 von 8 möglichen
Punkten beim Kölner Hauptturnier den Titel „Meister des Deutschen Schachbundes“ verliehen. Dadurch konnte
Carls nun auch bei internationalen Meisterturnieren mitspielen, die der Deutsche Schachbund veranstaltete.
So nahm er 1912 in Breslau beim 18. Kongress des Deutschen Schachbundes (DSB) erstmals an einem
internationalen Meisterturnier teil. Carls belegte bei diesem Turnier zwar nur den 15. Platz von 18 Teilnehmern,
schlug dabei aber in glänzendem Stil die beiden Schach-Koryphäen Siegbert Tarrasch und Rudolf Spielmann.
1914 nahm er noch am 19. Kongress des Deutschen Schachbundes in Mannheim teil. Das Turnier wurde
wegen des Ausbruchs des ersten Weltkriegs nach 11 Runden abgebrochen. Carls hatte bis zum Abbruch
der Veranstaltung nur 3,5 Zähler gesammelt und auch keine herausragenden Einzelerfolge erzielt. Nach
Mannheim kam das internationale Schachleben aufgrund des Krieges zum Erliegen.
Die Aufgabe in dieser „SiW“ komponierte Carls schon sehr jung mit nur 21 Jahren und ist sicherlich seine mit
Abstand bekannteste Schach-Aufgabe. Alfred Brinckmann schrieb in seinem Buch „Carl Carls und die Bremer
Partie“ zu dem vorliegenden Schach-Problem folgendes: „Ein oft nachgedruckter kleiner Scherz!“ Die Studie
fällt insofern etwas aus dem Rahmen der bisher in dieser Studienecke veröffentlichten Aufgaben, als dass
in dieser Stellung ein forciertes Matt zu finden ist. Carls veröffentlichte die Position zwar mit der einer Studie
angemessenen Gewinnforderung, auf dem Brett steht aber ein nicht mehr abzuwehrendes Matt in fünf Zügen.
Wie setzt der Anziehende in dieser nahezu bauernlosen Stellung also in genau 5 Zügen Matt?

                                            Carl Carls

                                              Revue d’Échecs 1901

                      XABCDEFGHY
                      8 vlk+ +q+(
                      7+ +R+ + '
                      6nPz K+ + +&
                      5+ + +R+ %
                      4 rt + + +$
                      3+r+ + + #
                      2 + + +L+"
                      1+ +Q+ + !
                      xabcdefghy

                        Weiß am Zug gewinnt (Matt in 5 Zügen)

Lösung:

Alfred Brinckmann schreibt zu dieser Aufgabe folgendes: „Eine großzügig komponierte Lenkungs- und Opfersymphonie
führt zu einem kuriosen Bauernmatt.“ Die Lösung beginnt mit 1.Tf8+! Dieser Opferzug macht die Diagonale h3-c8 frei.
1.Tc7+ gewinnt ebenfalls. Allerdings setzt Weiß dann erst nach 9 Zügen Matt. 1...Dxf8 Ab jetzt ist alles forciert. Der Weg
zum Matt ist nun auch der einzige Weg zum Sieg. 2.Td8+! Weiß blockiert das potentielle Fluchtfeld auf d8. 2.b7+? ist
dagegen nach 2...Txb7 3.Td8+ Dxd8 4.Dg4+ Td7 5.Dxd7+ Dxd7# nur Spiel auf Selbstmatt. 2...Dxd8 Das Mattbild steht
bereit. Der Anziehende möchte jetzt mit b7 mattsetzen. Es müssen nun „nur“ noch die beiden schwarzen Türme von der
Deckung des Feldes b7 abgelenkt werden. Das geschieht jetzt mit den beiden weiteren Opferzügen 3.Lh3+! Txh3 3...Tg4
4.Lxg4+ Dd7+ 5.Dxd7#. 4.Dg4+! Verfehlt ist 4.b7+? Txb7 5.Dg4+ Dd7+ 6.Dxd7+ Txd7–+ mit schwarzem Sieg. 4...Txg4 4...
Dd7+ 5.Dxd7#. 5.b7#. Ein in der Tat hübsches Matt mit dem letzten verbliebenen Bauern auf dem Brett.

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