Page 10 - Volksdorfer Zeitung
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Nach gut 12 Jahren Dienst in Volksdorf wechselt Polizei- oberkommissar Michael Fischer Ende August in das Polizeipräsidium nach Alster- dorf, wo ihn neue Aufgaben erwarten. Wir baten den sympathischen Beamten, der den Volksdorfern gut bekannt ist, zu schildern, weshalb man diesen Beruf wählt. Was hat ihn motiviert, wer ist der Mann hinter der Uniform?
VON MICHAEL FISCHER
Der Berufswunsch des
„Polizeibeamten“ war sehr früh in mir. Mit 8 Jahren bewarb ich mich, ohne Wissen meiner Eltern, mit einem aus- zufüllenden Fragebogen. An- gabe von Alter bzw. Geburts- datum ignorierte ich. Wenige Zeit später klingelte, unange- kündigt, ein uniformierter Ein- stellungsberater an der Haus- tür und bat „Herrn Michael Fi- scher“ zu sprechen. Meine Mut- ter öffnete und erschrak. Auf die Frage, was denn passiert sei, wurde ihr von meiner Be- werbung berichtet und dass die Hamburger Polizei an mir inte- ressiert sei. Nun ja, diese Be- werbung war offenbar zu früh eingereicht und so bewarb ich mich, dem Rat des Beamten fol- gend, im Alter von 16 Jahren, erneut.
Nach bestandenem dreitägi- gem Test in der Polizeizentrale Alsterdorf begann am 1.10.1979 mein Dienst bei der Hamburger Polizei. Neben dem langgeheg- ten Berufsinteresse spielten si- cher auch das gute Anfangsge- halt von 700 Mark und die Be- freiung vom Wehrdienst eine Rolle. Mein Leitmotiv war stets das Bedürfnis, für andere da zu sein, in Notsituationen zu hel- fen, ihnen in schwierigen und schweren Stunden beizustehen für Gerechtigkeit zu sorgen.
Nach der dreijährigen Aus- bildung ging ich als Polizei- hauptwachtmeister zur Bereit- schaftspolizei und gehörte ei- ner„geschlossenenEinheit“an, die für größere bzw. Großereig- nisse eingesetzt wurden. Vie- le meiner jungen Kollegen, die jetzt dort ihren Dienst verse- hen, machten hier vor wenigen Wochen dramatische Erfahrun- gen beim G20 Gipfel.
Weiter ging es über das Poli- zeikommissariat 52 (heute PK 36 in Bramfeld) zur PRW 35 (heute PK 35 in Poppenbüttel),
Michael Fischer (54): Ein ver- trautes Gesicht im Stadtteil. Nun wechselt er zum Landeskriminal- amt. Wir werden ihn vermissen!
denen menschlichen Tragödien sind ohnehin eine der schwie- rigsten und bittersten Einsät- ze, oftmals gerade dann, wenn man den Hinterbliebenen die schreckliche Nachricht über- bringen muss.
Ähnlich gelagert sind familiä- re Tragödien, die auch bei uns, in Volksdorf, präsent sind. So hatte 2016 das Jugendamt ent- schieden, den sechsjährigen Sohn seiner alkoholerkrank- ten, alleinerziehenden, Mut- ter zu entziehen, da ihr Alko- holkonsum unkontrollierbar geworden und das Wohlerge- hen des Kindes erheblich beein- trächtigt war. Der Junge muss- te der Frau, nachdem ein fast einstündiges Zureden nicht ge- holfen hatte, aus dem Klam- mergriff entrissen werden. Die Schreie des Kindes in diesem Moment vergisst man nicht.
Wichtig ist mir, den Volks- dorfern die veränderte Stra- ßenführung im Bereich Halen- reie / Waldweg zu vermitteln. Diese Regelung wurde getrof- fen, nachdem es zu mehreren schweren sowie einem tödli- chen Unfall im südlichen Ein- mündungsbereich kam. In al- len Fällen waren Fußgänger be- troffen, die bei Dunkelheit die Fahrbahn überquerten und von abbiegenden PKWs übersehen und erfasst wurden.
Resümierend stelle ich fest, dass 12 Jahre Dienst in Volks- dorf eine erfolgreiche, ange- nehme und befriedigende Zeit waren. Nahezu alle Bürger be- gegnen unserer Polizei sehr positiv, kooperativ, hilfsbereit und verständnisvoll. Dies ist in anderen Stadtteilen zuweilen grundlegend anders.
Meine neue Aufgabe führt mich nun in den „Fachstab 32“ des Landeskriminalamtes in Alsterdorf. In dieser neuge- schaffenen Dienststelle wid- me ich mich der zunehmen- den „Hass“-Kriminalität so- wie Straftaten im gleichge- schlechtlichen Bereich, hier auch als Referent an der Poli- zeiakademie. Ich freue ich mich auf diese Herausforderung, die gänzlich anders sein wird als das, was ich bisher gemacht habe. Volksdorf war für mich eine erfüllende Zeit.
Danke Volksdorf!
SELBSTPORTRAIT
Helfer in schwierigen Lagen
unterbrochen von einigen Jah- ren in der Polizeieinsatzzentra- le am damaligen Berliner Tor, der verdeckten Drogenfahn- dung im Hauptbahnhofs-Milieu und einer Zivilfahndungsein- heit im Hamburger Osten.
2005 fragte mich mein Dienststellenleiter, ob ich In- teresse hätte, für „einige Zeit“ zur Außenstelle nach Volksdorf zu wechseln. Ich überlegte und sagte „Ja“. Das habe ich nie be- reut. Aus „einiger Zeit“ wurden 12 Jahre, auf die ich fast durch- weg sehr gerne zurückblicke. Nahezu täglich habe ich Men- schen in diesem Stadtteil er- lebt, die mit meist unvorher- gesehen Situationen konfron- tiert waren und häu g mit gro- ßer Dankbarkeit und Erleichte- rung reagierten, wenn jemand inakutenMomentenfürsieda war, der wusste, wie es geht und wie eine zunächst unlös- bar erscheinende Situation zu meistern ist. Angefangen bei Haus- und Wohnungseinbrü- chen, in denen die Intimsphä- re jedes Mal tief verletzt wurde, über zahlreiche schwere Ver- kehrsunfälle, wo die allerers- ten Reaktionen und Maßnah- men entscheidend sind. Aber
auch bei Raubüberfällen, Trick- diebstählen, Betrugsdelikten, Cyberkriminalität etc. kommen die Opfer in ungewohnte und für sie bedrückende Momente, in denen es umso wichtig ist, Empathie und Professionalität an den Tag zu legen.
Oftmals wurde ich bei Ein- sätzen gefragt, ob ich auch wirklich von „unserer“ Polizei käme, damit war natürlich die Dienststelle beim Volksdorfer U-Bahnhof gemeint. Das habe ich gern bestätigt und durch- weg ein positives Feedback er- halten.
Einschneidend waren aber Erlebnisse wie der tödliche Un- fall eines jungen Mannes, der in Folge von Trunkenheit und als eine Art Mutprobe an einem frühenMorgenaufdenU-Bahn- gleisen zwischen Volksdorf und Buchenkamp von einer U- Bahn erfasst und tödlich ver- letzt wurde. Nur vier Wochen später beging seine Mutter Su- izid, indem sie sich am Bahnhof Volksdorf vor einen einfahren- den Zug warf und noch am Ein- satzort verstarb. Sie hatte den Tod ihres einzigen Kindes nicht verwinden können. Selbsttö- tungen und die damit verbun-
10 VolksdorferZeitung September 2017