Page 25 - Volksdorfer Zeitung VZ 33 November 2018
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 Jan Minck im Gespräch mit Karin von Behr.
ben das. Nach dem ersten Jahr der Eingewöhnung am neuen Standort soll nun die Vernet- zung ausgebaut werden. Er- wünscht sind eine stärkere Zu- sammenarbeit mit Kindergär- ten und Schulen, gemeinsame Veranstaltungen mit Kulturini- tiativen wie der Biografiewerk- statt Farmsen-Berne, dem Psy- chosozialen Zentrum Volksdorf „Hölderlin e.V.“, der Volkshoch- schule oder weiteren Bildungs- einrichtungen.
Idealisten für „Dialog in Deutsch“
Im Gesprächskreis „Dialog in Deutsch“ arbeiten zweimal in der Woche insgesamt fünf un- bezahlte Idealisten mit. Das von der Zentrale am Hühnerposten gesteuerte Projekt wendet sich an Menschen mit Migrations- hintergrund und Flüchtlinge. Moderiert von dort besonders geschulten ehrenamtlichen Mitarbeitern können sich bis zu zehn Menschen unterschied- lichster Herkunft über verschie- dene Themen unterhalten: All- tägliches, Persönliches, eigene Erfahrungen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Atmo- sphäre soll ungezwungen sein. Es gibt keine thematischen Vor- gaben und es geht ganz be- wusst nicht um Unterricht, son- dern um die „unterstützte Un- terhaltung in der Fremdspra- che Deutsch.“ Um den Teilneh- mern einen geschützten Raum bieten zu können, sind deut- sche „Zuhörer“ nicht zugelas- sen. An der ehrenamtlichen Mitarbeit Interessierte können sich aber gern in der Bücher- halle melden. Jan Minck be- dauert, dass die Zahl der Teil- nehmer am Dialog in Deutsch in der Bücherhalle Volksdorf im Vergleich mit anderen Stadttei- len eher überschaubar ist. Das liegt wahrscheinlich an der de- mographischen Struktur des Stadtteils, vermutet er. Der Be- zug der neuen Flüchtlingsun- terkunft „EULE“ in unmittelba- rer Nachbarschaft könnte das vielleicht ändern. Schließlich ist Jan Minck, der junge global orientierte Familienvater, an- getreten, um auch in seinem je- weiligen Umfeld „einen kleinen Beitrag zu einem friedlichen und verständnisvollen Mitei- nander in einer globalisierten Welt“ zu leisten.
Auf dem Weg in die globalisierte Zukunft
Jan Minck und die neue Bücherhalle
ihr Leiter zu Protokoll. Wäh- rend das Berufsbild der Biblio- thekare generell weiblich domi- niert ist, arbeiten hier – neben sieben Frauen – drei Männer. Vorneweg Jan Minck, in Rahls- tedt „fast in der Bücherhalle“ aufgewachsen, heute wohn- haft in Wandsbek, 43 Jahre alt (höchstens wie dreißig ausse- hend). Privat liest er am liebs- ten „Science fiction“, zum Bei- spiel Jeff VanderMeer: Sou- thern Reach. Für die betagte In- terviewerin, diplomierte Biblio- thekarin, böhmische Dörfer.
Jan Minck ging einen ande- ren Weg. Er studierte Japanolo- gie, Sinologie und Sprachlehr- forschung, brachte ein Jahr in Japan zu, schloss mit dem „Ma- gister Artium“ ab, arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektkoordinator am Asi- en-Afrika-Institut der Hambur- ger Universität. Recherche und Schreibwerkstatt waren seine besonderen Steckenpferde. Ne- ben der deutschen Mutterspra- che kann er Englisch, ein we- nig Chinesisch und Französisch und besonders gut Japanisch.
13.000 Besucher im Monat
Die Arbeit in der Volksdorfer Bücherhalle holt ihn nun erst einmal auf den regionalen Tep- pich zurück. Hier warten prak- tische und konkrete Aufgaben. Man zählt nicht mehr in erster Linie – wie früher – die einge- schriebenen Leser mit Ausweis. Man zählt die Besuche: 13.000 im Monat! Viele Menschen kommen mehrmals, vor allem Kinder. Für sie gibt es zweimal in der Woche „Bilderbuchkino“, Lichtbilder aus dem Beamer, kombiniert mit der Sprache ei- ner Vorleserin. Die Kinder lie-
VON KARIN VON BEHR
Der Name ist so kurz,
hell, jung und freund- lich wie sein Träger: Jan Minck. Der Seiteneinsteiger versteht sich als Geisteswissen- schaftler, „Master of Arts“ statt Diplom-Bibliothekar. Er leitet seit Januar 2017 die Öffentliche Bücherhalle Volksdorf, seit Fe- bruar 2018 in den neuen Räu- men an der Eulenkrugstraße 55. Der Umzug von der Wei- ßen Rose in das Obergeschoss der Eulenkrugpassage bescher- te ihm und seinen sieben Mitar- beitern 730 (statt bisher 530) Quadratmeter Platz und ist da- mit eine der größten von ins- gesamt 32 Bücherhallen in der Hansestadt.
42.000 Medien
Das Angebot für die bildungs- frohen Volksdorfer Nutzer um- fasst 42.000 Medien. Etwa zwei Drittel davon sind Bücher. Je- des Jahr kommen rund 7.500 von der Zentrale lektorierte neue Titel hinzu. Um die acht- tausend werden im gleichen Zeitraum „gelöscht“, also aus- geschieden. Einen Teil davon findet man in offenen Regalen auf dem Forum unterm Glas- dach. Preis pro Buch: ein Euro. Eine Ausnahme gilt nur für re- gionale Literatur. Heimatkunde bleibt schon wegen der Schu- len und der Bindung an den Stadtteil unantastbar.
Die – dem Grundriss des Ge-
bäudes folgenden Räume – bil- den fast einen Halbkreis. Be- tritt man die Bücherhalle ge- hen die Kinder nach rechts, die erwachsenen Leser gera- deaus und nach links. Die von zwei Seiten gefüllten Regale bilden schmale Gänge. Sie en- den in Augenhöhe, so dass man stets den ganzen Raum über- blicken kann. Rechts befindet sich die zentrale Verwaltungs- “Theke“, dahinter liegt der Ju- gend- und Kinderbereich. Für Kuschelkinder steht ein klei- nes Indianerzelt bereit, dane- ben Liegepolster zum Flätzen. Das zweimal wöchentlich an- gebotene Bilderbuchkino findet in einer teppichbelegten Ecke mit arenaartig hoch gestuften Podesten statt. Hier hat man aus dem schwierigen Grund- riss eine Nachwuchs-freund- liche Tugend gemacht. Wen- det man sich vom Eingang aus nach links, liegt am Ende des schmalen Ganges das Büro von Jan Minck. Hinter hohen Glas- wänden gibt es zwei Räume für Kurse und Besprechungen. In einem trifft man sich – the- oretisch zweimal in der Woche - zum „Dialog in Deutsch“. Das Angebot versteht sich als Brü- cke zwischen Deutschen und Migranten.
Außer dem unkonventio- nellen Grundriss gibt es in der Volksdorfer Bücherhalle eine weitere Besonderheit: Im Per- sonalbereich herrscht die höchste „Männerdichte“, gibt
    November 2018 Volksdorfer Zeitung 25
















































































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