Page 108 - Asian Art December 2017 Lempertz (German Text)
P. 108
271
271
Morita Shiryû (1912-1998)
Das Schriftzeichen „chû“ (in den Himmel aufsteigen). Dicke, tief schwarze Tusche auf grobfaserigem Papier. Original
aufgezogen. Auf der Rückseite Papieraufkleber von Morita Shiryû mit handschriftlichem Titel „Chû“, Maßangaben,
Datum 1964 in Kugelschreiber, Künstlername Morita Shiryû in Tusche und Siegel.
92,8 x 181 cm
Provenienz
Privatsammlung, Bayern
€ 20.000 – 25.000
Morita Shiryu stammte aus Toyooka in der Präfektur Hyôgo. Ab 1935 wurde er von dem Schreibmeister Ueda Sôkyô in Tokyo
in das künstlerische Schreiben eingeführt, später kam er untern den Einfluss von Tajima Yukei. 1948 gründete er die Zeitschrift
„Sho no bi“, die 1950 von „Bokubi“ abgelöst wurde. Hier setzte man sich mit westlicher Kunst auseinander und hob die abstrakte
Schönheit von Tuschformen hervor. Doch war mit abstrakter Kunst nicht das zu erreichen, was man mit dem Schriftzeichen
ausdrücken kann. Ab 1950 in Kyoto wohnend, fand er seinen geistigen Lehrer in dem Zen-Philosophen Hisamatsu Shin’ichi.
Man gründete die Bokujinkai (Tusche-Mensch-Gruppe), der auch Inoue Yûichi angehörte. Zu seinem Stil hat Morita um 1960
gefunden: Zeichen temperamentvoll gemalt, in breiten Bahnen und zu Spritzern explodierend. Bewegung wird zur Gestalt.
Der Gehalt und die tiefe Bedeutung eines Schriftzeichens waren für ihn Ausgangspunkt.
Dasselbe Schriftzeichen „chû“ auch „okitsu“ („Hoch aufsteigen in den Himmel“, aber auch „offene See“) gibt es auch auf einem
goldgrundigen Stellschirm im Tempel Kiyoshikôjin Seichôji in Takarazuka. Morita verwendet dieses Schriftzeichen auch für das
Wort „sanft“ und interpretiert es „Übereinstimmung und Spannung, als den Raum, in dem dies beides zu einem wird“ (Irmtraud
Schaarschmidt-Richter, Morita Shiryû, Lehrer und Beweger der modernen japanischen Schreibkunst, in: Deutsche Gesellschaft für
Ostasiatische Kunst, Mitteilungen, Nr. 16 (Juli 1996), S. 11).
107