Page 11 - SitzPlatzFuss GESUNDHEIT
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Aufnahme (Transduktion)
Nehmen wir einmal an, der Hund ist in eine Scherbe getreten und hat sich dabei die Pfote zerschnitten. Jetzt wird an der Pfote an den peripheren Nozizeptoren (Schmerzrezeptoren) ein schädigender Impuls in elektrische Aktivität umgewandelt. In der Medizin werden solche schädigende Impulse oder Rei- ze, die sowohl vom Inneren des Körpers als auch von der äuße- ren Umwelt auf den Körper einwirken, als Noxe bezeichnet.
Bei dem Schnitt werden Zellen beschädigt und jede Zell- schädigung löst sofort biochemische Prozesse aus, die zur Bil- dung von vielen unterschiedlichen Übermittlerstoffen (Trans- mitter, Mediatoren) führen.
Weiterleitung (Transmission)
Die Transmission ist die Impulsweiterleitung durch Nervenfa- sern. Hier werden zwei verschiedene Nervenfasern unterschie- den, die den Reiz unterschiedlich schnell weiterleiten. Es gibt die schnellen A-Delta-Fasern, die den ersten stechenden Schmerz übermitteln, worauf in der Regel mit einem Schutz- reflex geantwortet wird, wie Wegziehen der Hand von einer heißen Herdplatte oder Wegziehen der Pfote beim Tritt in eine Scherbe. Die langsameren C-Fasern übermitteln den zweiten Schmerz, der dumpf, brennend oder pulsierend und über einen größeren Bereich zu spüren ist.
Zentrale nervale Verarbeitung (Modulation)
Im Rückenmark werden die Schmerzsignale, die über die A-De- lta und C-Fasern aus der Peripherie eintreffen, auf sogenann- te sekundäre Nervenzellen umgeschaltet, die ins Gehirn zie- hen. Eine wichtige Schaltstation für Schmerzreize und eine besondere Bedeutung hat hier das sogenannte Hinterhorn, ein Teil des Rückenmarks. Das kann man sich wie ein Tor vor- stellen, durch das nozizeptive Reize durchtreten müssen, um zu höheren schmerzverarbeitenden Zentren im Zentralnerven- system (ZNS) zu gelangen.
An diesem Tor findet auch eine zentrale nervale Verarbei- tung (Modulation) ankommender Schmerzimpulse im Sinne einer Verminderung oder Verstärkung der spürbaren Schmer- zen statt, wobei hier nach Ansicht der Wissenschaftler die Schmerzsignale der verschiedenen Körperpartien mit anderen, früheren Erlebnissen verglichen werden, ehe sie ins Gehirn, zum Zentrum der Wahrnehmung, befördert werden. Erst wenn der Schmerz durch dieses Tor kommt, wird er auch als Schmerz wahrgenommen.
Übertragung (Projektion)
Damit ist die Weiterleitung der Schmerzinformation über das Rückenmark an das Großhirn gemeint.
Bewusste Wahrnehmung (Perzeption)
Die Perzeption ist die bewusste, subjektive und emotionale Wahrnehmung und Empfindung des neuralen Signals als Schmerz im Gehirn. Es gibt kein zentrales Schmerzzentrum im Gehirn, stattdessen ist an der Wahrnehmung des Schmerzes ein ganzes Netzwerk an neuronalen Strukturen in verschiede- nen Hirnarealen beteiligt, und bis heute ist die Bewusstwer- dung des Schmerzes ein immer noch nicht ganz geklärter Vor- gang. So sind neben dem Thalamus, wo Lokalisation, Ausstrahlung und Schmerzcharakter wahrgenommen werden, noch weitere Hirnstrukturen beteiligt.
In der Großhirnrinde (Cortex) werden Reize nach Dringlich- keit sortiert, bearbeitet, gemindert oder gestoppt. Von hier wird die Tür zum Bewusstsein geöffnet und die Schmerzimpul- se erreichen übergeordnete Zentren des Gehirns und werden als Schmerz wahrgenommen.
Im limbischen System wird vor allem das Leidvolle des Schmerzes wahrgenommen. Hier kommen die Gefühle wie Hoffnungslosigkeit, Depression, Hilflosigkeit, aber auch Angst, Wut und Trauer zum Tragen.
Eine Schlüsselstellung beim Schmerzerleben hat jedoch die Großhirnrinde (Cortex). Denn hier spielt die Langzeiterre- gung des Schmerzsystems bei der Entstehung eines Schmerz- gedächtnisses eine Rolle. Durch Neuropeptide (Botenstoffe) kann es eine schmerzverstärkende Wirkung oder auch durch Freisetzung von körpereigenen Opiaten (beispielsweise Endorphine) eine schmerzlindernde Wirkung haben. Andere Botenstoffe, wie Serotonin und Noradrenalin, dämpfen eben- falls den Schmerz. In der Großhirnrinde wird eine Bewertung des Schmerzes vorgenommen, dies kann sich bei ungünstigen Bedingungen auf das weitere Schmerzgeschehen auswirken. Das komplexe System der Verarbeitung von Schmerzsignalen
Mit einem Unterwasserlaufband lässt sich ein normales Gangmuster trainieren. (Foto: Renate Albrecht)
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