Page 26 - Artemis_8_(September 2021)
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Barbara Schwarz

               Schäferstündchen

               Das schlafende Schaf,
               es träumte selig
               von saftigen grünen Weiden.
               Es schlief und schlief
               und lächelte sanft –
               das mocht’ sein Gefährte nicht leiden.

               Der Schäferich dachte:
               ‚Was könnte ich tun,
               mein Liebchen doch endlich zu wecken?’
               Er küsste sie zart,
               doch half es nicht viel –
               sie schien ihn nur schmunzelnd zu necken.

               Sie schnarchte ganz leis’,
               ihrem Munde entfloh
               ein seltsam melodisches Pfeifen.
               Er schaute verdutzt,
               dann dachte er nach
               und konnte es gar nicht begreifen.

               Wie konnte sie schlafen,
               da er doch so wach war?
               Wie sehr er sich um sie bemühte:
               zuerst stand er Kopf,
               dann lag er am Bauch,
               doch ihr Schlaf war erstklassiger Güte.

               Zur Seite sie sank,
               noch immer befangen
               in tiefem und seligem Schlummer.
               Er saß neben ihr,
               von Liebe erfüllt
               und badete förmlich in Kummer.

               Inzwischen sie träumte,
               dass ihr Schäferich sie
               auf der Weide voll Leidenschaft liebe,
               während er verzweifelt
               voll Selbstmitleid war
               ob seiner geschlechtlichen Triebe.

               Sie drehte sich seitwärts
               und stöhnte verlangend –
               er ließ alle Vorsicht vermissen,
               umfasste sie wild –
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