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BERGWELT








        UNBERÜHRTER FEENWALD




         Ganz hinten im Tal, dort, auf halber Höhe zum  den Bäumen hängt. Die vielen Moose und Flech-
         Pragelpass,  zeigt  sich  die  Landschaft  plötzlich  ten prägen die Landschaft. Das sanfte Grün mu-
         ganz anders. Wo unten im Tal die Wiesen saftig  tet weich und pelzig an. Bäume, welche den Win-
         grün blühen, glaubt man sich hier oben inmitten  ter nicht überstanden haben, rotten langsam vor
         einer nordischen Landschaft.                        sich her, werden von niederwüchsigen Pflanzen
         Der Bödmerenwald besteht aus Fichten, Moor-         überwachsen. Wer sich in diesem Naturschutz-
         birken und Föhren. Die Birken wachsen auf der  gebiet aufhält, wähnt sich in einem unberührten
         Höhe von 1350 bis 1680 m ü. M. gut, sie haben  Feenwaldes. Hinter dem nächsten Felsen schon
         sich an die winterlichen Verhältnisse und die  könnten Trolle, Zwerge oder andere fremde We-
         Schneelast angepasst. Manche von ihnen legen  sen sein. Und wenn man sich dann noch bewusst
         sich unter dem Schnee komplett ab und richten  ist, dass unter den Füssen kein fester Grund,
         sich im Frühjahr wieder vollkommen auf. Die  sondern ein weitverzweigtes Höhlensystem, das
         Fichte dagegen hat ihren Wuchs verändert, um  Hölloch  liegt,  werden  noch  ganz  andere  Sagen
         mit dem Schnee klarzukommen. Im Bödmerer-           und Geschichten lebendig…
         wald  sind  sie  schlank  beinahe  säulenartig.  Die
         Bergföhre dagegen ist genügsam und kommt mit  Karstlandschaft
         wenig aus. Sie wächst langsam und knorrig.          Dass hier keine oder nur minime menschliche
                                                             Spuren  sind,  verdankt  der  Wald  der  Karstsitua-
         Reich der Pflanzen und Moose                        tion. Der felsige Untergrund besteht aus Schrat-
         In diesem Urwaldgebiet, also einem Territorium,  tenkalk. Der harte Fels wird durch Regenwasser
         in das der Mensch kaum eingegriffen hat, ge-        ausgewaschen. In den schroffen Felsformatio-
         deihen 300 verschiedene Pflanzenarten und 250  nen können keine Tiere weiden, weil sie überall
         Moose und Flechten, darunter auch das seltene  in Löcher treten würden und sich dabei die Bei-
         Engelshaar, eine Flechte, welche dünnfädig von  ne brechen könnten. Auch ist die Humusschicht






































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