Page 7 - BilD-Zeitung (+08.08.2018)
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  BILD DEUTSCHLAND ✶ 8. AUGUST 2018
    Eine Reise von Nord nach Süd über Deutschlands Zeltplätze – die Sommer-Serie in BILD
  Zwischen Kraftwerk und Autobahn                     Platz Uentrop (22 Euro pro Nacht für zwei
                                                       Camping mit Kernkraft-Skyline auf dem
 CAMPING MIT
                                                       Erwachsene mit Wohnwagen und Strom)
 AUSBLICK
  Von KAI FELDHAUS
  und DANIEL BISKUP
   (Fotos)
  Hamm – Wenn die Sonne
  hinter dem Horizont ver-
  schwindet und die ersten
  Lichter der Skyline glim-
  men, „dann ist das hier
  fast wie in Dubai“, sagt
  Achim Helbach (58).
  Die Kühltürme des Kraft-
  werks, könnten das nicht
  Wolkenkratzer sein? Der   Gerda (59) und
  Lärm von der A 2, klingt   Ron (53) aus Holland
  das nicht wie Meeresrau-  planschen in der Lippe
  schen? Man braucht nur
  ein bisschen Fantasie.  Noch ein Zug. „Ich hätte
  Auf der Rundreise durch
  Camping-Deutschland ha-  keine Probleme, hier zu
         wohnen.“ Auch im Winter.
  ben wir den wohl unge-  Natürlich muss man
  wöhnlichsten Camping-  auch über das Kraftwerk
  platz des Landes  in NRW   reden. 2014 ging ein neu-
  gefunden. A 2, Abfahrt   er Block ans
  Hamm-Uen-  Netz. „Befeu-
  trop, zwischen
  Kraftwerk und   ert mit Stein-
            kohle aus Süd-
  Autobahn ge-  afrika“, sagt
  legen. 120 Dau-  TEIL 6  Helbach. Ein
  ercamper und   zweiter neuer
  ein paar Tou-  HAMM  Block ist abge-
  risten finden,   schaltet. „Dem
  was hier nie-
  mand erwar-  hat es bei In-
            betriebnahme
  tet: Ruhe und   den Kessel zer-
  Entspannung.  schossen. Re-
  Als Achim Helbachs   paratur lohnt nicht, zu teu-
  Großvater den Cam-  er.“ Helbach muss grinsen.
  pingplatz 1957 eröffnete,   „Dat Dingen wird noch
  blickte er noch auf grüne
  Wiesen. Das Kohlekraft-  da stehn, da sind wir alle
         schon untere Erde“, sagt
  werk kam 1963. 1987 wur-  ein Stammgast. „Glaub ich
  de es um den „Thorium-  nicht“, sagt Helbach. „Die
  Hochtemperaturreaktor   sind ja auch nicht doof in
  300“ erweitert, ein Kern-  Südafrika. Die merken,
  reaktor, unsicher und um-  wenn es hier keine Koh-
  stritten, nach nur 423 Ta-
  gen ging er wieder vom   le mehr gibt. Und dann
         ziehen sie die Preise an.“
  Netz. Unsummen Geld wur-  Das bringt ihn auf den
  den durch den Schornstein   Solarpark, den er gern
  geblasen, ein politisches   bauen würde. Ganz hin-
  und technisches Debakel.  ten, wo keine
  Die Cam-
  per nebenan   Dauercamper
  scherte das   mehr stehen.
           „Die Bezirksre-
  wenig. „Ich   gierung will das
  weiß nur von   nicht“, sagt er,
  einem, der we-  „zu nah an den
  gen dem Kraft-  Lippe-Auen.“
  werk aufgehört   Und dann,
  hat“, sagt Hel-
  bach. Die an-  wichtiges The-
           ma, die Auto-
  deren saßen   bahn. Natürlich
  weiter neben   hört man sie, vor
  ihren Wohnwa- Campingplatz-Besitzer  allem bei Süd-
  gen am Flüss-  Achim Helbach (58)  westwind. Für
  chen Lippe, an-  Helbach eher
  gelten Wels und Aal.
  Susanne Böing (55)   Segen als Fluch: Von den
         90 000 Autos, die täglich
  fischt noch eine John   vorbeibrausen, fahren in
  Player aus ihrem Ziga-  der Saison immer ein paar
  rettenetui. Wir sitzen an   zu ihm ab, meist auf Durch-
  der Einfahrt zum Camping-  reise. „Und Rastplätze sind
  platz im Schatten, es gibt   ja heutzutage nicht unge-
  Filterkaffee, Sprudel und
  Krombacher Radler.  fährlich“, sagt Helbach.
         Hört man nicht ständig
  Mit Verlaub, Frau Böing:   von nächtlichen Überfäl-
  Warum campt man hier?  len auf Camper?
  Zug an der Zigarette.   Er ist jetzt 58. Ans Auf-
  „Mein Partner ist Angler“,   hören denkt er trotzdem
  sagt sie. „Und er arbeitet   immer nur kurz, wenn er
  in der Nähe.“ Man sei un-
  gezwungen, dazu an der   im November acht Mona-
         te Saison in den Knochen
  frischen Luft. „Zu Hause   hat. Dann fährt er mit sei-
  denkt man viel mehr über   ner Frau nach Thailand.
  alltägliche Sorgen nach.   Irgendwann, sagt
  Wenn ich hier ankomme,   Achim Helbach, wolle er
  bin ich abgeschaltet.“  sich auch mal ein Wohn-
  Susanne Böing ist Putz-
  frau, sie muss um 5 Uhr   mobil leihen. Einfach los-
         fahren und campen. „Mal
  früh raus. Auf dem Cam-  ausprobieren, ob uns das
  pingplatz falle ihr das viel   taugt.“
  leichter, sagt sie. Als Dau-
  ercamper habe man al-  LESEN SIE MORGEN
  le Annehmlichkeiten, fast
  wie in einem Kleingarten,   BILD auf dem ältesten
  „aber da hat man ja un-  Campingplatz
  heimlich viele Pflichten.“   Deutschlands
  Susanne Böing (55)
  gießt ihre Pflanze
  vor dem Camper
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