Page 92 - Das Wunder des werdenden Meschen
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DAS WUNDER DES WERDENDEN MENSCHEN
Der Punkt, auf den Flanagan hier hinweist, ist sehr wichtig. Um die Wich-
tigkeit zu verdeutlichen, betrachten Sie folgendes Beispiel: Stellen Sie sich ein
Baby vor, das gerade anfängt zu laufen. Sie stellen dieses Baby in ein Gebäude,
das Millionen Mal größer ist, als es selbst und das es niemals zuvor gesehen hat.
Dann erwarten Sie, dass dieses Baby in diesem Gebäude den Raum mit der best-
möglichen Umgebung finden kann. Könnte ein kleines Baby so etwas schaffen?
Sicherlich nicht. Wenn dies für ein Baby unmöglich ist, das noch nicht das Alter
erreicht hat, in dem es seine geistigen Fähigkeiten benutzen kann, ohne Erfahrung
oder Wissen, wie viel mehr ist es dann unmöglich für ein Stückchen Fleisch, das
nur ein paar Zentimeter groß ist und sich in der Dunkelheit des Körpers bewegt,
den besten, bequemsten und sichersten Ort zu finden?
Und dieser Zellklumpen ist noch nicht einmal ein menschliches Wesen.
Denken Sie daran, dass wir hier von einem Stück Fleisch sprechen, das aus höch-
stens 100 Zellen besteht (im Moment) ohne Ohren, Augen, Gehirn, Hände oder
Arme. Doch der Zellklumpen beweist ungewöhnliche Kenntnisse, nistet sich in
der Gebärmutter ein, die für ihn der beste Ort ist.
Die Wunder der menschlichen Entwicklung enden aber auch hier nicht. In
jeder Phase der Entstehung eines Menschen gibt es eine eindrucksvolle Kette
wundervoller Vorgänge. Wir haben beschrieben, wie sich die befruchtete Eizelle
teilt und wie sie ihren Platz für ihre weitere Entwicklung findet. An diesem Punkt
stellt sich eine weitere Frage: Der Zellklumpen, der aus vollkommen identischen
Zellen besteht, besitzt keinen speziellen Anker oder ein ähnliches Organ, mit dem
er sich an einer Stelle festhalten könnte. Wie kann er sich also an der Gebärmut-
terwand festhalten?
Die Art und Weise, wie sich der Zellklumpen an die Wand der Gebärmutter
klammert, ist Teil eines interessanten und äußerst komplexen Systems. Die Zel-
len der äußeren Schicht des Zellklumpens schütten ein Enzym aus, die so ge-
nannte Hyaluronidase. Dieses Enzym (wie wir bereits im Fall des Spermiums
erwähnt hatten) ist in der Lage, die Säureschicht (hyaluronische Säure) im Ge-
webe der Gebärmutterwand anzugreifen. Auf diese Weise können die Zellen des
Zellklumpens das Gebärmuttergewebe auflösen und in die Gebärmutter eindrin-
gen. Einige Zellen des Zellklumpens lösen die Zellen der Gebärmutter auf, drin-
gen tiefer in sie ein und halten sich in der Wand fest.
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