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Es war eine makabre Nachricht, die Oli- ver Eiler vor einigen Jahren in seinem E-Mail-Postfach fand. Absender war ein Online-Karrierenetzwerk. Eiler wurde von der Plattform aufgefordert, einem Bekann- ten zum Geburtstag zu gratulieren. Der war aber zwei Jahre zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Das berufliche Profil existierte weiter im Internet, die Kosten da- für wurden vom Konto der Witwe abgebucht, ohne dass es ihr aufgefallen war. Für Oliver Eiler gab diese Erfahrung den Anstoß, eine Firma zu gründen, die sich um den digitalen Nachlass kümmert.
Erben übernehmen Abos und Mitgliedschaften im Internet. Viele wissen gar nichts davon
Für fast alle Deutschen gehört das Internet zum Alltag, selbst die Hälfte der über 60-Jäh- rigen ist inzwischen online aktiv. Sie schrei- ben E-Mails, kaufen online ein, legen Profile bei sozialen Netzwerken an, wickeln Bankge- schäfte ab, spielen auf kostenpflichten Porta- len oder gehen auf Partnersuche. Die Über- sicht über ihre Konten verlieren viele Nutzer dabei schon zu Lebzeiten. Im Todesfall stehen Angehörige dann vor einer kaum zu lösenden Aufgabe. Denn der digitale Nachlass gehört zur Erbschaft. Nicht nur Festplatten und USB-Sticks zählen dazu, sondern auch Ver- träge, die online abgeschlossen wurden. „Da gibt es keinen Unterschied zur analogen Welt. Das digitale Erbe tritt man mit allen Rechten und Pflichten an“, sagt Janine Hartmann, Internetexpertin bei der sächsischen Ver- braucherzentrale. Das bedeutet zum Beispiel, dass der Erbe den im Netz bereits bestellten Kühlschrank bezahlen, eine Reise stornieren oder für die Gebühr eines Online-Abos ein- stehen muss.
Statt in Aktenordnern müssen sich Erben in den Weiten des Internets auf Spurensuche begeben
Erben sollten sich schnell einen Überblick über die Online-Hinterlassenschaften ver- schaffen. Wer die virtuelle Welt ignoriert, könnte einige Monate später durch die sehr reale Forderung eines Inkasso-Unterneh- mens an seine Verpflichtungen erinnert wer- den. Die Spurensuche ist dabei kompliziert. Früher konnten Angehörige in die Wohnung
des Verstorbenen gehen, durch Aktenordner und Briefe blättern, um sich ein Bild von Mit- gliedschaften, Verträgen und Zahlungsver- pflichtungen zu machen. Seine Online-Ak- tivitäten dokumentiert allerdings kaum jemand. „Manche Erben sind überrascht, wenn sie erfahren, dass der Opa online gepo- kert hat - und dabei vielleicht sogar Hunderte Euro erspielt hat,“ sagt Christopher Eiler, der zusammen mit seinem Bruder die Firma Co- lumba für digitalen Nachlass betreibt.
Es ist nicht eindeutig geklärt, ob Erben auf E-Mails zugreifen dürfen
Ein guter Ausgangspunkt für die Recherche ist das E-Mail-Konto. Aus den Nachrichten lässt sich häufig rekonstruieren, wo Mitglied- schaften bestehen, hier trudeln Rechnungen ein. Dafür brauchen Angehörige aber Zu- gang zum Postfach. Kennen sie das Kennwort nicht, müssen sie den Dienstleister kontak- tieren. Der Provider Web.de etwa gewährt Zugang zum E-Mail-Konto, wenn Erben sich per Personalausweis und Erbschein auswei- sen.
Doch nicht alle E-Mail-Anbieter handhaben das so, obwohl das Bundesjustizministerium Provider in der Pflicht sieht, die Daten he- rauszugeben. Während es selbstverständlich ist, dass Erben persönliche Briefe und Ta- gebücher lesen dürfen, weigern sich einige Online-Dienstleister, den Hinterbliebenen Zutritt zu Profilen zu ermöglichen. So gibt Google bloß auf Beschluss eines ameri- kanischen Gerichts E-Mails heraus, wenn der Verstorbene vorher keinen Nachlass- verwalter bestimmt hat. „Manche Anbieter fürchten, das Fernmeldegeheimnis zu ver- letzen“, sagt Peter Bräutigam, Fachanwalt für IT-Recht bei der Kanzlei Noerr. Schließlich haben die Kommunikationspartner des Ver- storbenen nicht zugestimmt, dass die Nach- richten weitergegeben werden. „Rechtlich ist nicht eindeutig geklärt, ob Erben E-Mails einsehen dürfen, die beim Anbieter gespei- chert sind.“
Der einfachste Weg: Zugangsnamen und Passwörter sammeln
Die unsichere Rechtslage macht es Erben auch schwer, sich um das digitale Andenken zu kümmern. Profile auf sozialen Netzwer- ken geistern weiter durchs Internet, wenn
die Konten nicht gelöscht werden. Facebook versperrt Hinterbliebenen die Möglichkeit, sich auf dem Account des Toten anzumelden. Angehörige können höchstens erreichen, dass das Profil entfernt oder in einen Ge- denkzustand versetzt wird. Freunde können dann in die Chronik posten, auf Nachrichten dürfen Erben nicht zugreifen. Internetnutzer sollten deshalb zu Lebzeiten vorsorgen: Der einfachste Weg ist es, Zugangsnamen und Passwörter zu sammeln und die Liste stets zu aktualisieren. Dann können sich Angehörige im Todesfall schnell Zugriff auf wichtige digi- tale Unterlagen verschaffen. Wer persönliche Korrespondenz mit ins Grab nehmen will, kann das auch in einem Testament regeln. Hier lässt sich eine Vertrauensperson bestim- men, die nach dem Tod Informationen ver- nichtet. Ironischerweise muss das Testament über das digitale Erbe handschriftlich verfasst werden.
Digitale Nachlassverwalter machen Konten im Internet ausfindig
Laut IT-Branchenverband Bitkom haben neun von zehn Internetnutzern keine Be- stimmungen für den digitalen Nachlass ge- troffen. In diesem Fall helfen Experten wie die Mitarbeiter von Columba weiter. Von ihren Büroräumen in Berlin-Kreuzberg aus durchforsten sie mithilfe von automatischen Abfragen das Internet, um festzustellen, bei welchen Portalen ein Verstorbener ein Konto hatte. „Wir recherchieren den digitalen Nach- lass bei bis zu 250 großen Internetunterneh- men, die ungefähr 90 Prozent des Umsatzes im deutschen Online-Handel abdecken“, sagt Christopher Eiler. Zu den Firmen gehören Bezahldienste ebenso wie Versand- und Auk- tionsportale.
Wird Columba fündig, kündigt oder über- trägt die Firma im Auftrag der Erben die Verträge und sorgt dafür, dass eventuelle Guthaben zurückfließen. Das Unternehmen braucht dafür weder die Passwörter, noch werden Inhalte erfasst. Angehörige buchen das Angebot über den Bestatter. Dabei küm- mert sich Columba nicht nur um Abmeldun- gen bei Internetfirmen. „Wenn der Erbe dem Bestatter mitteilt, dass eine Mitgliedschaft im Tierschutzverein des Heimatorts besteht, übermitteln wir auch die Kündigung“, sagt Eiler. Dann müssen die IT-Spezialisten schon einmal zu antiquierten Mitteln greifen, um den Verein zu informieren: per Fax oder Brief.
StartupRegional.de 01/2019 17
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