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meiner Sicht wäre das eine Wunschklage, weil dadurch die Anforderungen an einen sicheren Identitätsnachweis auf einem Niveau unterhalb der qualifizierten elektronischen Signatur geklärt werden könnten. Mein Wunschurteil wäre ein Urteil, in dem für die Zukunft klare Kriterien vorgegeben werden, wie solche Fälle zu entscheiden sind.
Leonid Shmatenko (Kryptowährungen)
Heutzutage gibt es ca. 8.300 Kryptowährungen mit einem Gesamtwert von etwa einer Billion US-Dollar. Die Rechts- wissenschaft streitet jedoch immer noch darüber, wie das „Phänomen“ Kryptowährungen zu qualifizieren ist. Zwar stellte 2018 das KG Berlin [(4) 161 Ss 28/18 (35/18)] in einem strafrechtlichen Verfahren fest, dass sich bei der virtuellen „Währung“ Bitcoin nicht um ein Finanzinstrument im Sinne des § 1 KWG aF handelt, es fehlt jedoch an einer zivilrecht- lichen Einordnung. Gemeinsam würden Herr Möllenkamp und ich es begrüßen, wenn ein ordentliches Gericht, zumin- dest als obiter dictum feststellt, dass Kryptowährungen ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB oder auch Sachen entsprechend § 90 BGB analog sind. Ein solches Urteil würde endlich Rechtssicherheit schaffen und dem Erwerb von Kryptowährungen den nötigen rechtlichen Rückhalt geben. Außerdem würde es den IT-Standort Deutschland stärken und gleichzeitig das deutsche IT-Recht auf den Stand des 21. Jahrhunderts bringen.
Arno Lampmann (Social-Media-Sperre und Meinungsmacht)
Die Twitter-Sperrung des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump hat es wieder gezeigt: Soziale Medien ha- ben großen Einfluss auf die Meinungsfreiheit. Trump ver-
breitete seine Thesen dort unter ca. 90 Millionen Follower- Innen. Damit war Anfang Januar 2021 plötzlich Schluss. Gleichzeitig gibt Twitter unter anderem rassistischen, miso- gynen und xenophoben Gruppen auch heute noch reich- weitenstarke Stimmen. Twitter ist ein privates Unter- nehmen. Es kann sich auf die Vertragsfreiheit und seine AGB berufen und begeht keine (staatliche) Zensur. Den- noch stellt sich aufgrund der (Meinungs-)Macht der Platt- formen die Frage, inwieweit die Meinungsfreiheit dem „Hausrecht“ Grenzen setzt. Es gibt zwar Rechtsprechung dazu, ob und wann Plattformen dazu berechtigt oder gar verpflichtet sind, Inhalte oder ganze Accounts zu sperren. Eine klärende höchstrichterliche Entscheidung dazu ist wünschenswert, steht allerdings bisher aus.
Christian Solmecke (Datensicherheit und Datentransfers bei Facebook)
Trotz zahlreicher Klagen ist nach wie vor unklar, was Face- book mit unseren Daten macht. Der Österreicher Max Schrems klagt seit Jahren gegen den Konzern und hat damit bewirkt, dass die Abkommen Safe-Harbor und EU-US- Privacy-Shield, die Datensicherheit beim Datentransfer in die USA nur mangelhaft sicherstellen, gekippt wurden. Wirklich geändert hat sich jedoch nichts. Nachdem der EuGH das EU-US-Privacy Shield mit seinem Urteil von Juli 2020 für unwirksam erklärt hat, transferiert Facebook die Daten nun auf Grundlage der so genannten Standard- vertragsklauseln in die USA. Schutz davor, dass dort NSA & Co. die Daten abgreifen können, bieten diese Klau- seln nicht. Facebook kann und wird nach dem derzeitigen Stand nicht verhindern, dass dadurch gegen die Standard- vertragsklauseln verstoßen wird. Von meiner Traumklage würde ich mir ein Urteil erhoffen, das Facebook dazu zwingt, endlich transparenter mit unseren Daten um- zugehen. Bestenfalls müssen dann auch andere soziale Netzwerke beim Thema Datensicherheit nachziehen.
Dr. Helmut Redeker, Dipl. Inform. ist Fachanwalt für IT- und Verwaltungsrecht in Bonn und Autor zahlreicher Publikationen, vor allem im Softwarerecht.
Arno Lampmann, 45, ist Gründungspartner der Kanzlei LHR in Köln und Autor, Mentor und Experte für Marken-, Wettbewerbs-, Urheber- und Medienrecht.
Leonid Shmatenko, 33, ist Rechtsanwalt in Genf mit einem Tätig- keitsschwerpunkt in der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, passionierter Gamer und interessiert an der Schnittstelle zwischen Recht und IT.
Nomos STUD.Jur. 1 | 2021 19
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