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Aber Walter kam, sah und kaufte das Auto, spontan. Nicht alle Spontankäufe von Walter waren, aber dieser war definitiv, goldrichtig. Im Nachhinein betrachtet. Meine Mutter spendete unmittelbar keine Standing Ovations, ein BMW-Automobil mit 6 Zylindern war jetzt wirklich nicht das dringends- te für eine junge Familie. Beim Auto handelt es sich um einen BMW 328 mit Cabriolet-Aufbau. Nummer 85066 wurde 1937, zusammen mit 4 weiteren Fahrgestellen und mit BMW-Karosserien bis zur Spritzwand direkt von den BMW-Werken an die «Vereinigten Werkstätten für Karosserie und Wagenbau (Engelhard)» nach München geliefert. Dort entstanden Cabriolet-Aufbauten, welche im Gegensatz zu der Werks-Roadstern etwas mehr Komfort boten. Von den 464 gebauten BMW
328 Fahrgestellen wurden ein paar Dutzend als Cabriolet-Aufbauten fertig gestellt, aber immer als Resultat von Kundenaufträgen (Wendler, Weinber- ger, Autenrieth, Drautz etc.).
Das Auto wurde am 6. Juni 1937 am Zollamt Ramsen-Grenze verzollt und hatte 2 Schweizer Vorbesitzer. Als Erstes wurde der BMW neu lackiert, mehr war nicht nötig. Mein Vater nutzte den Wagen in den 50er- und 60er Jahren an diversen Rennen (Schauinsland, div. Rallyes und Zuverlässigkeits- fahrten). Doch in erster Linie wurde der BMW für
Ferienreisen genutzt. Spätestens nach dem Sichten der verschiedenen Ferien-Alben meiner Eltern wird klar dass 200‘000 km keinesfalls übertrieben sind: Mit dem BMW in der Toskana, mit dem BMW auf Capri, mit dem BMW am Atlantik, mit dem BMW in Südfrankreich, mit dem BMW in England usw. Meine erste Ausfahrt mit diesem BMW machte ich 1958. Ich kann mich jedoch nicht mehr erinnern, ich befand mich da in der «pränatalen» Phase, meine schwangere Mutter wurde mit diesem Auto ins Spital gefahren. Was jedoch nicht heisst dass nichts hängen blieb, das Motorengeräusch hat heute noch einen beruhigenden Einfluss auf mich. Es sei denn, er läuft nicht auf allen Zylindern.
Und das kommt hie und da vor.
Meine ersten bewussten Mitfahr-Erfahrungen machte ich auf meinem Stammplatz hinten rechts, hinter dem Beifahrer-Sitz. Da war es gemütlich und ich konnte da sämtliche Anzeigen und Schalt- vorgänge beobachten. Mit den Jahren arbeitete
ich mich beharrlich nach vorne, als Schmiermaxe übernahm ich zwei Aufgaben: 1. Blinker betätigen und 2. in voller Fahrt Vaters Tabak-Pfeife stopfen und anzünden. Nach meinem 18. Geburtstag er- oberte ich endlich den Fahrersitz, unter kritischer optischer und akustischer Beobachtung, an das ZF-Getriebe muss man sich erst gewöhnen. Irgend-
wann konnte ich den BMW gelegentlich ausleihen. Schlussendlich fanden wir eine Lösung, damit das Auto in der Familie bleibt und an einem Freitag 2005 war es dann (endlich) soweit: Mein Vater
rief an und sagte ich könne den BMW jetzt über- nehmen, mit allen Freuden und Lasten. Er würde ihm zu aufwendig und zudem tönt er irgendwie komisch. Am selben Abend stand der BMW bei
mir in der Garage, nach dem Anziehen des losen Auspuff-Flansches, war auch das «komische» Geräusch verschwunden. Aber Walter blieb dabei, nach 50 Jahren BMW 328 ist es gut so. Ich machte mich langsam an die Arbeit. Als Erstes ersetzte ich das Choke-Kabel, damit man nicht beide Hände benötigt, um diesen zu ziehen. Dann änderte und entfernte ich mit der Zeit diverse Gadgets, die durchaus pragmatischen Wert bewiesen über all die Jahre (Hauben-Schnellverschlüsse, Stoßstan- gen, Rückfahrscheinwerfer, Spritzgummis, überdi- mensionierter Innenspiegel, VW Käfer Rückleuch- ten, Gepäckträger, etc.).
Mein Vater blieb stets interessiert und unterstütz- te mich bei meinem Tun, was mir sehr wichtig war. Meine Idee, den Wagen schwarz zu lackieren konnte er jedoch in keiner Weise nachvollziehen, schwarz geht gar nicht. Dann habe ich mich für weiss entschieden und das war gut so.
























































































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