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          Was den Touristen verwehrt bleibt, ist
          der Blick hinter die Kulissen. Die Öster­
          reicherin Dr. Kati Löffler hat 15 Jahre lang
          die Riesenpandas in China erforscht und
          als Tierärztin  in der Aufzuchtstation
          Chengdu gearbeitet. Kritisch findet sie,
          dass die Babys hier mit Hilfe von künst­
          licher Befruchtung wie am Fließband
          produziert und viel zu früh von ihren
 In der Panda­Aufzuchtstation in Chengdu werden   Müttern getrennt werden.
 Bambus ist die Leibspeise der Pandas.  die Pandababys gehätschelt und umsorgt.
          „Es sind Fabriken“, sagt sie in einem In­
          terview mit der WELT. „Die Chinesen
 Wenn China an der Politik des   gabe. Als Frankreich und das Reich der     Paarungszeit zueinander zu finden. Nur   nehmen die jungen Pandas der Mutter
 beschenkten Landes etwas aus­   Mitte ein Abkommen zum Uran­Export   einmal im Jahr sind die Weibchen für   extrem früh weg, damit sie rasch wieder
 zusetzen hat, kann es seine Pan­   erfolgreich abgeschlossen hatten, mach­  ca. 72 Stunden fruchtbar – das macht es   empfängnisbereit wird und ein neues
 ten sich kurz darauf zwei Pandabären auf   nicht gerade leichter für die Männchen,   Junges gebären kann“, erzählt sie. „In
 dabären auch zurückfordern.
 den Weg nach Paris. Angela Merkel traf   die als Sexmuffel gelten.  freier Wildbahn bringt ein Panda­Weib­
 Diese Erfahrung hat der Schön­
 sich im Juli 2017 mit Staatspräsident Xi      chen alle drei oder vier Jahre ein bis zwei
 brunner Tiergarten (beinahe)
 Jinping, nicht etwa am runden Tisch,   In den letzten Jahrzehnten wurden die   Junge zur Welt und erzieht sie. In Cheng­  Panda Wu­Wen bei der Einweihungszere­
 gemacht, als China wegen eines    sondern zur Eröffnung des neuen Bären­  Bambuswälder großflächig abgeholzt,   du allerdings wird ein Weibchen jedes   monie des neuen Geheges im Ouwehands­
 Besuchs des Dalai Lama in Ös ter­   geheges im Berliner Zoo, wo Panda­  mussten Siedlungen und landwirtschaft­  Jahr schwanger. [...] Je mehr Pandas ge­  Zoo im holländischen Rhenen.
 reich drohte, Yang Yang und   Weibchen Meng Meng und das Männ­  lichen Nutzflächen weichen. Damit ver­  boren werden, desto mehr Geld kann
 Hui Long wieder heimzuholen.   chen Jiao Quing künftig leben werden.   schwindet nicht nur der natürliche Lebens­  man mit ihnen verdienen.“
 Es folgte ein diplomati scher   „Es ist für mich eine große Freude, dass   raum der Pandas, sondern auch ihre
 der Berliner Zoo jetzt ein neues Panda­  wichtigste Nahrungsquelle: der Bambus.   Ehe die Zoos mit ihren Leihgaben ans   Besuchermassen kommen, und damit
 Kraftakt – die Pandas durften
 Pärchen hat“, sagt Xi Jinping der Berliner   30 Kilogramm und mehr frisst ein ausge­  Geldverdienen denken können, müssen   winken hohe Einnahmen. Vom Zoo Ouwe­
 letztendlich in Wien bleiben.
 Zeitung. „Ich bin überzeugt, dass die bei­  wachsener Panda täglich.  sie die Millioneninvestitionen erst ein­  hands profitiert auch die kleine Gemein­
 den neue Botschafter unserer Freund­  mal ausgleichen. Neben der jährlichen   de Rhenen.  Souvenirläden verkaufen
 Marcel Boekhoorn, der es mit   schaft werden können.“  In China ist der Artenschutz des National-  Leihgebühr geht der Bau von speziellen   Panda­Flaggen, Panda­Bettwäsche und
 Firmenkäufen und –verkäufen    tieres inzwischen Chefsache. Vor allem   Panda­Gehegen, die chinesische Inspek­  Panda­Eis, Restaurants servieren Bam­
 zum Milliardär gebracht hat, ist   Diese Freundschaft kostet Geld. Rund   die Bergwälder in Sichuan sind als Natur­  toren regelmäßig inspizieren, ebenso ins   bus­Burger. Auch Nieks nächste Geburts­
 der Eigentümer des Ouwe ­   450 000 Euro pro Tier beträgt die jähr­  schutzgebiete ausgewiesen, darüber hin­  Geld wie die Beschaffung und Lagerung   tagsfeier steht unter dem Motto Panda.
 hands­Tierparks. Nur seiner   liche Leihgebühr. Eine knappe Million sind   aus leben rund 400 Pandas in Zuchtstatio­  von Futter. Inzwischen gibt es in Europa   Und wie lautet der Dresscode für die klei­  Süßer geht kaum: Zwei Pandababys
 Hartnäckigkeit verdanken die   es de facto, denn Pandas werden nur pär ­   nen. Die bekannteste und Publi kums ­   riesige Plantagen, die die Zoos mit Bam­  nen Gäste? Schwarzweiß natürlich.   dösen in der Sonne.
 chenweise vergeben. Obwohl sich die   magnet für einheimische und auslän­  bus versorgen.
 Niederlande, dass sie zur Panda­
 Einnahmen durch Ticketverkäufe teilweise   dische Touristen gleichermaßen ist die
 Heimat geworden sind. Schon
 verdoppeln, können sich viele Zoos diese   „Research Base of Giant Panda Breeding“   Stephanie Winkendick aus dem nord rhein­
 im Jahr 2000 bat er Minister­  Investition nur mit Hilfe großzügiger Mä­  in der 14­Millionen­Metropole Chengdu.   westfälischen Kamp­Lintfort hat sich vor
 präsident Wim Kok um Unter ­   zene leisten. Oder wenn der Tierpark, so   einigen Jahren zusammen mit ihrem Ehe­
 stützung, weil die Geschichte   wie der in Rhenen, einem Milliardär ge­  Panda­Fans wie Martina aus Düsseldorf   mann Reiner auf den Anbau von Bam­  Der Panda-Effekt in Zahlen
 gezeigt hatte, dass nur durch   hört. Bekommen die geliehenen Tiere   sind begeistert. Alles dreht sich hier um   bus spezialisiert. Seitdem beliefert das
 die Intervention von Staats­  Nachwuchs, bleibt dieser ebenfalls das   die putzigen Bären – von der U­Bahn­  Ehepaar mehrere europäische Zoos mit
 oberhäuptern Pandas erworben   Eigentum von China. Die durch weltweite   Station „Panda Avenue“ bis zum Ein­  dem Lieblingsfutter der Pandas und kann
 Leihgebühren erzielten Einnahmen flie­  gangstor im Panda­Design und den   die Nachfrage kaum stillen. Dabei ist Bam­
 werden könnten. Aufgrund der
 ßen zu etwa 70 Prozent in den Schutz     vielen, im ganzen Gelände verteilten   bus nicht gleich Bambus, deshalb haben
 kritischen Haltung der Nieder ­
 wildlebender Pandas, der Rest geht an   Panda­Figuren. Leibhaftigen Pandas   die Winkendicks unterschiedliche Sorten
 lande gegenüber den Men­
 die Panda­Aufzuchtstation in Chengdu.    begegnen die Besucher in mehreren Ge­  im Angebot. „Die Bären sind außeror­
 schenrechten in China schlug   hegen und Häusern. „Besonders begeis­  dentlich wählerisch“, sagt Reiner Winken­
 dieser Versuch fehl, ebenso   In der chinesischen Provinz Sichuan   tert war ich von der Babystation“, erzählt   dick im Deutschlandfunk. „Sie fressen
 einige weitere. Erst mit dem   wächst die Infrastruktur rasend schnell.   die 50­jährige Deutsche, auch wenn sie   längst nicht alles und ändern ihren Ge­
 Staatsbesuch des Königs­  Die vielen neuen Straßen, Eisenbahn­  sich erst in eine lange Warteschlange   schmack im Grunde genommen ständig.“
 paares beendet Boekhoorn   schienen, Staudämme und Starkstrom­  einreihen musste. „In einem Brutkasten
 leitungen trennen die einst zusam­  lag ein paar Wochen altes Junges. Die   Doch der große Aufwand und die hohen
 seine Mission erfolgreich.                   Quelle: Anthony Sheridans Handbuch „Europas Zoos unter der Lupe“,
 menhängenden Bambuswälder und   Pfleger tun alles, um den Nachwuchs   Investitionen zahlen sich in der Regel für
 erschwe ren es den Pandas, während der   aufzupäppeln.“  die Zoos aus – dank des „Panda­Effekts“:   Tierpark Schönbrunn © ZEIT­GRAFIK
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