Page 27 - Studiosus Kundenmagazin 1.2019 Sri Lanka
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26 unterwegs mit Studiosus                                                        unterwegs mit Studiosus      27




           2008 bewarben sich ein paar junge Leute   „Natürlich hatten wir anfangs Angst. Wir    „Libera Terra ist eine sehr
           aus Mesagne, darunter auch Alessandro   wussten schließlich nicht, wohin uns der   schöne Liebesgeschichte.
           Leo,  um  das  beschlagnahmte  Landgut   Weg führen würde“, sagt Leo. „Aber wir   Sie handelt von der Liebe
           eines  Mafioso  –  und  erhielten  den  Zu­  waren auf dem Weg nicht alleine. Das hat   zu Apulien, verbunden mit
           schlag. Ihr Konzept: traditionelle Produkte   uns stärker und mutiger gemacht.“ Muss
           in ökologischer Landwirtschaft anbauen,   man besonders viel Courage haben, um bei   dem Gefühl der Freiheit.“
           Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung   „Libera Terra“ zu arbeiten? Der Chef schüt­  Alessandro Leo
           schaffen und vor allem junge Leute über   telt vehement den Kopf: „Nein, wir sind nur
           die Mafia aufklären. Keine leichte Aufga­  Menschen, die sich für ihr Land und für die   Studiosus-Gäste besuchen
           be, denn Mesagne war eine Hochburg der   Demokratie interessieren. Man muss kein   auf fast allen Studienreisen
           „Sacra Corona Unita“, des apulischen Zwei­  Held sein, um die Mafia zu bekämpfen.   nach Apulien die Kooperative
           ges der Mafia.                        Jeder Bürger kann das.“
                                                                                      „Libera Terra“ in Mesagne
           Die meisten Einwohner erinnern sich noch   Allzu viele Worte will Leo nicht über   und haben die Gelegenheit,
           gut daran, wie Handlanger des Paten am   die Mafia verlieren. Viel lieber spricht er   sich mit Alessandro oder
           Stadttor kontrollierten, was in Mesagne vor   über das, was seine Kollegen und er in den   einem seiner Mitarbeiter
           sich ging. Ämter, Polizei, Lokale, Geschäf­  vergangenen Jahren erreicht haben. In den   über die Anti- Mafia-Arbeit
           te – einfach alles war von der Mafia infil­  Weinbergen gedeihen typisch apulische   auszutauschen.
 „Wir sind       drangsaliert oder sogar ermordet. Hilfe kam   auf den Feldern wachsen Oliven, Tomaten
                                                 Rebsorten wie Primitivo und Negroamaro,
           triert. Wer sich auflehnte, wurde bedroht,
           schließlich von außen – aus der Hauptstadt
                                                 und Getreide. Mitten im historischen Zen­
           Bari. „Saubere“ Richter, Staatsanwälte und
                                                 trum von Mesagne betreibt Libera Terra
           Polizisten sorgten dafür, dass jeder, der in
                                                 einen kleinen Laden. Dort können ange­
       keine Helden!“  mafiöse Machenschaften verstrickt war, im   meldete Gruppen Olivenpaste kosten oder
           Gefängnis landete. Ein gesellschaftliches
                                                 leckere eingelegte Tomaten. Oder Pasta,
           Erdbeben, denn immerhin war jeder zehnte
                                                 deren Mehl aus eigenen Mühlen stammt.
           Einwohner der Kleinstadt betroffen.
                                                 Besonders stolz ist Alessandro Leo darauf,
           Das Land, das die Kooperative bewirtschaf­  dass die Kooperative legale Jobs unter men­
           ten wollte, befand sich in einem katastro­  schenwürdigen Arbeitsbedingungen bietet.
 Auf jeder Studiosus-Reise treffen die Gäste Menschen vor    phalen Zustand: verrostete, teils untaug­  Wer bei „Libera Terra“ arbeitet, ist offiziell an­  Alessandro Leo, Präsident von
           liche Maschinen, verwilderte Weinberge.   gemeldet, versichert und bekommt einen an­  „Libera Terra“ in Mesagne.
    Ort, die ihnen ihren Alltag und die Kultur ihrer Heimat   Das jahrelange Enteignungsverfahren hatte   gemessenen Lohn. Außerdem hat sich die
           deutliche Spuren hinterlassen. Die Aufbau­  soziale Kooperative verpflichtet, geistig und
  persönlich nahebringen. Zum Beispiel die Mitarbeiter des   arbeit war mühsam, und es gab immer   körperlich Behinderte zu beschäftigen, ebenso
           wieder Rückschläge: beispielsweise Droh­  wie ehemalige Häftlinge und Drogenabhän­
         Anti-Mafia-Projekts „Libera Terra“ in Apulien.  briefe, die Mitarbeiter in ihren Briefkästen   gige. Jeder, der hier einen Job haben möchte,
           fanden; oder in Brand gesteckte Rebstöcke.   muss sich strengen Anti­Mafia­Kontrollen un­
           Laut Leo sei etwas wirklich Schlimmes   terziehen. Leo betont: „Wir geben den Men­
             allerdings noch nie passiert.       schen ihre Rechte und Würde zurück.“   ■
 In den Stadtzentren von   Bis aus Mailand kommen Studenten zum   Kampf gegen die Mafia ist inzwischen auch
 Rom, Palermo und Neapel   Sommercamp von „Libera Terra“ bei Mesag­  ihr Kampf. „Heute wollen mehr Leute bei
 werden die ökologischen   ne im tiefen Süden Italiens, einen Katzen­  ‚Libera Terra’ arbeiten als wir Jobs anbieten   Lecker essen und Gutes tun:   Bei „Libera Terra“ werden die Arbeiter
 P rodukte in den „Libera“-   sprung von Brindisi entfernt. Sie wollen   können“, sagt Leo.  mit „Libera-Terra“-Produkten.  zu fairen Bedingungen beschäftigt.
 mithelfen und das Anti­Mafia­Projekt unter­
 Läden verkauft, außerdem   stützen – indem sie zum Beispiel in den   Die apulische „Libera Terra“ gehört zu
 in Geschäften der Supermarkt-  Weinbergen arbeiten. Die Eltern sehen das   der Anti-Mafia-Vereinigung „Libera“,
 kette Coop. In Deutschland   mit gemischten Gefühlen: Ist das nicht zu   die der katholische Priester Don Ciotti in den
 gibt’s die Anti-Mafia-Kost in   gefährlich?   1990er Jahren gegründet hat, als Antwort
 „Eine-Welt-Läden“.  auf den Terror der Mafia. Der damaligen
 Alessandro Leo, Präsident von „Libera Terra“   Wel le der Gewalt fielen Journalisten, Politi­
 (übersetzt: freies Land) in Mesagne, kennt   ker, Geschäftsleute und Richter zum Opfer,
 solche Zweifel. „Noch vor ein paar Jahren   unter ihnen die prominenten Mafiajäger
 haben Bewerber dankend abgelehnt, wenn   Giovanni Falcone und Paolo Borsellino. Don
 sie hörten, dass es sich um von der Mafia   Ciotti sammelte über eine Million Unter­
 konfisziertes Land handelte.“ Doch die Zeiten   schriften für eine Petition und erreichte,
 haben sich geändert. Die Mafia hat ihre   dass die Regierung 1996 ein neues Gesetz
 Macht eingebüßt, ist nicht mehr allgegen­  verabschiedete: Die konfiszierten, teils riesi­
 wärtig. Und die Menschen hier spüren ihre   gen Ländereien verurteilter Mafiabosse lie­
 Chance auf ein freies Leben, ohne Korrup­  gen nicht länger brach, sondern dürfen von
 tion, Erpressung und Angst vor Gewalt. Der   gemeinnützigen Vereinen genutzt werden.
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