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Die süße Eiersahnecreme auf knusprigem Blätterteig verheißt das Glück auf Erden. Das Rezept für die berühmten Pastéis de Belém ist auch nach fast 180 Jahren ge- heim. Seine Hüter: drei Konditoren einer Confeitaria in Lissabon.
Wenn Zucker, Butter und Eier Indikatoren sind für Glück, dann liegt das Paradies in Belém. Die Straßenbahn in den Lissaboner Vorort ist um 10 Uhr brechend voll.
Früher stachen von Belém aus die Schiffe der Eroberer in See, heute wollen die Touristen auf den Torre de Belém steigen, einen beeindru- ckenden Aus-
sind weiß-blau gekachelt, die De- cke wird von Holzbalken gestützt. Es ist laut und warm, Touristen aus Deutschland, Italien und China drängen sich an die Tische, über das Sprachengewirr legt sich das Klappern des Kaffeegeschirrs.
Clarinha lässt sich auf einen Stuhl fallen. Er wirkt müde. Je- den Tag backen er und sein Team 20.000 Törtchen. „Zu Stoßzeiten im Hochsommer und vor Weihnach- ten auch gerne mal noch mehr”, sagt Clarinha. Er winkt den Kellner herbei und bestellt einen „Bica”, einen Espresso, und ein paar von den Törtchen. Erst dann erzählt er
war so groß, dass die Zuckerbäcker beschlossen, die Zubereitung ge- heim zu halten. „Das ist heute Teil unseres Mythos”, sagt Clarinha und grinst.
Mehl, Zucker, Eier, Milch, Butter. Das ist alles.
Der Kellner bringt zwei der lau- warmen Törtchen. Mit Zimt bestreut schmeckt die süße Eiersahnecreme auf dem knusprigen Blätterteig einfach göttlich. Schon nach dem ersten Bissen ist klar: Eines davon ist nicht genug. Clarinha lacht. Er kennt das: wenn seine Gäste die
Augen schlie- ßen und die Kontrolle der Gefühle ganz dem Gaumen überlassen.
„Ich esse ja auch jeden Tag mindes- tens eines da- von”, sagt er. „Schließlich muss ich die Qualität si- chern.” Denn Clarinha ist
einer von nur drei Menschen auf der Welt, die das exakte Rezept der Pastéis do Bélem kennen. Er und seine beiden Chefkonditoren dürfen deshalb nie zur selben Zeit in Urlaub fahren.
„Senhor Clarinha, verraten Sie uns das Rezept?” Clarinha nickt. „Aber klar doch, gerne”, sagt er. „Sie brauchen Mehl, Zucker, Eier, Milch und Butter. Das ist alles.” Keine Sahne? Keine Zauberei? „Nein, es kommt nur auf die richtigen Tem- peraturen und das Mischungsver- hältnis an”, sagt Clarinha.
Das allerdings ist so geheim, dass die Eiercreme hinter einer verschlossenen Tür angerührt wird. „O cina do Secredo”, steht an dem Raum, „geheimes Büro”. Drinnen brummt eine Rührmaschine. Den Rest der Produktion dürfe man sich aber gerne anschauen, sagt Clarinha.
Denn obwohl die Confeitaria für die Massen backt, wird hier alles
sichtsturm am Ufer des Tejo. Oder sie pilgern zum Hieronymus- kloster. Die Warteschlan- ge vor dem Weltkulturer- be windet sich im Sommer in acht Reihen vor dem Ein- gang.
Hieronymuskloster in Belém
Ein paar hundert Meter davon entfernt bildet sich vor einer Kon- ditorei am Morgen ebenfalls eine Schlange. Die Confeitaria Pastéis de Belém ist zwar kein Weltkultu- rerbe, aber trotzdem fast so be- rühmt wie das Kloster: Sie ist die Wiege der Vanilletörtchen.
„Pastéis de Nata” gibt es in Lis- sabon zwar an jeder Ecke. Selbst in Deutschland bekommt man in den portugiesischen Cafés durchaus passable Exemplare. Aber wohl nirgendwo schmecken die handtel- lergroßen Puddingteilchen besser als in der Konditorei von Belém.
Die Alltagskost der Mönche
Durch die riesigen, hellen Räume, vorbei an voll besetzten Tischen schlängelt sich Miguel Clarinha. Der 32-Jährige im karierten Hemd ist Inhaber der Confeitaria, in deren Räumen früher eine Zuckerraf ne- rie untergebracht war. Die Wände
die Geschichte der Pastéis de Belém.
Sie beginnt 1834, als Portugal per Gesetz die Trennung von Kirche und Staat beschließt. Fortan dürfen Klöster keine weltlichen Geschäfte mehr betreiben. Doch ein p f ger Mönch aus Belém organisiert sich in der Klosterküche das Rezept der Pastéis und spricht damit in der benachbarten Zuckerraf nerie vor. Dort ndet es großen Anklang.
Denn was die süßen Sünden be- traf, waren die Mönche aus dem Hieronymuskloster Experten: Die Nonnen brauchten zum Stärken ihrer Hauben Unmengen von Ei- weiß, und so hatte die Klosterküche auch Unmengen von Eigelben auf Vorrat. Die Blätterteigtörtchen mit der cremigen Füllung gehörten für die Mönche zur Alltagskost.
Schon bald, ab 1837, gingen im Ladenlokal der Raf nerie die ersten Pastéis de Belém über den Laden- tisch. Der Ansturm auf die Törtchen
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