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  IN DER KRISE
Die Schuldenbremse wird aktiviert
Mit der Corona­Pandemie musste die Bun­ despolitik im Frühjahr 2020 abrupt neue Prioritäten setzen. Sie reagierte mit Nach­ tragshaushalten und brachte Darlehen, Zu­ schüsse, Bürgschaften und erweiterte Sozi­ alleistungen für Unternehmen, Bürger und Sozialversicherungen auf den Weg. Der Ver­ schuldungsspielraum der Schuldenbremse, der dank einer robusten Konjunktur der Vorjahre nicht genutzt worden war, musste nun erstmals in doppelter Hinsicht ausge­ reizt werden:
• Zum einen gestattet die Schuldenbremse dem Bund eine regulär zulässige Neuver­ schuldung, die je nach Konjunktur mal höher, mal niedriger ausfallen darf. Die­ ser strukturelle Verschuldungsspielraum muss für jedes Haushaltsjahr neu berech­ net werden und ergibt eine klare Ober­ grenze, bis zu der sich der Bundeshaus­ halt über Netto­Kreditaufnahme finanzieren darf.
• Zum anderen darf der Bund – auf Basis dieser Schuldenbremse – sogar mehr Schulden als regulär zulässig aufnehmen – und zwar dann, wenn der Staat mit ei­ ner Naturkatastrophe oder einer anderen „außergewöhnlichen Notsituation“ kon­ frontiert ist, die sich seiner Kontrolle ent­ zieht und die Staatsfinanzen erheblich verschlechtert. Diese Not­Option sieht die Schuldenbremse seit ihrer Einführung 2009 vor, um der Politik flexible Reaktio­ nen auf außergewöhnliche Situationen zu ermöglichen. Diese Flexibilität nutzte
nicht nur der Bund – dies taten auch reihenweise die Länder, indem ihre Parla­ mente eine außergewöhnliche Notlage in der Pandemie feststellten. Somit wurde es 2020 und 2021 möglich, sich in unge­ ahntem Ausmaß zu verschulden.
Um trotz hoher Notlagen­Neuverschuldung und steigender Staatsverschuldung eine Generationengerechtigkeit zu wahren, sind Bund und Länder nach dem Grundgesetz dazu verpflichtet, die Schulden auf Basis der Not­Option so schnell wie möglich zu tilgen.
Was also ist der Auftrag der Schuldenbrem­ se? Mit einem Tilgungsplan muss die Politik dafür sorgen, die erweiterte Verschuldung in Krisenzeiten zeitnah durch Schuldenabbau wieder zu neutralisieren, um künftigen Ge­ nerationen keinen unnötig hohen Schulden­ berg zu hinterlassen. Diese Wenn­Dann­ Regel ist notwendig, um den Begriff „Schuldenbremse“ mit Sinn und Leben zu füllen. Denn die Schuldenbremse soll das Schuldenmachen der Politik bremsen – und das ist vor allem IN DER KRISE nötig, wenn die Regeln der Schuldenbremse ein Schul­ denmachen in großem Stil ermöglichen.
Die Politik missbraucht die Verschuldungsregeln
Die Erklärung einer außergewöhnlichen Notlage nutzte der Bund allerdings, um sich 2020 – über die verfassungsrechtlichen Leit­ planken der Schuldenbremse hinaus – mas­ siv zu verschulden. Gleich mehrfach verstößt der Bundesetat 2020 gegen das Grundge­ setz: Weder die Höhe noch die Verwen­
Haushaltsanalyse 23
























































































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