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NACHRICHTEN DEUTSCHER MARINEBUND
Missverständnisse vermeiden
Zum Umgang mit der Flagge Schwarz-Weiß-Rot und der kaiserlichen Reichskriegsflagge
Jann M. Witt
Aus aktuellem Anlass klärt Dr. Jann M. Witt, seit vielen Jahren Historiker des Deutschen Marinebundes, wie Traditionsvereine des DMB mit der Flagge Schwarz-Weiß-Rot und der kaiserlichen Reichskriegsflagge umgehen sollten. Es gilt, Missverständnisse zu vermeiden.
Gerade in den letzten Wochen wurde immer wieder die Frage an die Bundesgeschäftsstelle herangetra-
gen, wie seitens der Mitgliedsvereine mit alten Traditionsfahnen und -flaggen umgegangen werden soll, insbesondere wenn diese die Farben Schwarz-Weiß-
Aufgrund einschlägiger Vorfälle bei zahl- reichen Demonstrationen in den letzten Wochen und Monaten sind die Flaggen Schwarz-Weiß-Rot und die kaiserliche Reichskriegsflagge und ihre mutmaßli- che Bedeutung als rechtsextreme Sym- bole erneut in den Fokus der Öffentlich-
keine originär nationalsozialistischen Symbole enthalten. Gleichwohl werden sie in der öffentlichen Wahrnehmung häufig mit einer rechtsextremen Gesin- nung in Verbindung gebracht – und dies nicht ohne Grund, wie ein Blick auf die Verwendung dieser Flaggen in der Ver- gangenheit zeigt.
Mit Gründung der Weimarer Republik im Jahr 1919 hatten die Farben Schwarz- Rot-Gold die Farben des Kaiserreichs Schwarz-Weiß-Rot als Nationalfarben abgelöst. Diese wurden jedoch nicht vollständig ersetzt. Als Handelsflagge diente nach wie vor die schwarz-weiß- rote Trikolore, die lediglich im linken Obereck durch die Farben Schwarz-Rot- Gold ergänzt wurde. Ähnliches galt auch für die Flagge der Reichsmarine: Am 11. April 1921 wurde durch eine Verordnung festgelegt: „Die neue Reichskriegsflagge ist gleich dem Obereck der alten Kriegs- flagge und gleich der alten Gösch. Hin- zugefügt an der Stange ein Obereck mit den Farben Schwarz-Rot-Gold.“ Die neue Flagge wurde von der Reichsmarine ab dem 1. Januar 1922 geführt, jedoch wurde jedes Jahr am 31. Mai anlässlich des „Skagerraktags“, des Jahrestags der Skagerrak-Schlacht 1916, zusätzlich die Flagge der Kaiserlichen Marine im Groß- topp gesetzt.
Das Nebeneinander von Schwarz-Weiß- Rot und den neuen, an die Tradition der deutschen Einheits- und Demokratie- bewegung in der 1. Hälfte des 19. Jahr- hunderts anknüpfenden Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold war der Versuch eines Kompromisses zwischen den Traditio- nen der Monarchie und der neuen par- lamentarischen Demokratie und damit ein deutlicher Hinweis auf die innere Zer- rissenheit Deutschlands nach dem Ers-
14. November 2020, Berlin: Demonstranten tragen schwarz-weiß-rote Flaggen. Sogenannte Reichsbürger und andere Demokratiegegner demonstrieren in der Nähe des Neuen Palais
Rot oder die kaiserliche Reichskriegs- flagge zeigen. Dies betrifft vor allem Mit- gliedsvereine, die seit jeher die Tradition pflegen, ihre Traditionsfahnen bzw. -flag- gen bei öffentlichen Auftritten, beispiels- weise anlässlich von Kranzniederlegun- gen, mitzuführen.
keit gerückt. Dabei gilt bislang, dass das Zeigen weder der schwarz-weiß-roten Flagge noch der kaiserlichen Reichs- kriegsflagge nach aktuell geltendem Recht grundsätzlich verboten ist, da sie, im Gegensatz beispielsweise zur Flagge der Kriegsmarine mit dem Hakenkreuz,
56 Leinen los! 1-2/2021
Foto: picture alliance/dpa/Christophe Gateau


































































































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