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Deutscher Marinebund
„Schreibmaschine“ im Geisternetz DMB-Mitglied Florian Huber fischt Enigma aus der Ostsee
Die Meldung ging durch alle Medien: zufällig fanden Dr. Florian Huber und seine Kollegen von Submaris beim Einsatz für den Naturschutz ein seltenes Exemplar der berühmten Chiffriermaschine aus dem Zweiten Weltkrieg.
Leinen los!: Bitte schildern Sie uns, wann, wo und unter welchen Umständen Sie die Enigma gefunden haben.
Huber: Wir waren mit unserer Firma Submaris im Auftrag des WWF unter- wegs, um Geisternetze zu suchen und zu bergen. Geisternetze sind herrenlose Fischernetze, die immer weiter durchs Meer treiben und so eine Gefahr für Meeresbewohner darstellen. Sie fischen unendlich weiter und tragen zudem zur Mikroplastik-Belastung der Meere bei. Mein Kollege Michael Sswat kam von einem Tauchgang zurück an die Oberflä- che, bestätigte einen weiteren Netzfund und erzählte gleichzeitig, darin verfan- gen wäre eine alte „Schreibmaschine“. Da dämmerte es bei mir bereits. Wer würde schon eine alte Schreibmaschine mitten in die Ostsee werfen ...
So sehen glückliche Finder aus
Huber: Die Enigma lag tatsächlich alleine am Grund der Ostsee. Wir Archäologen sprechen dann von einem Einzelfund. Deshalb auch die rasche Entscheidung, die Maschine zu bergen.
Leinen los!: Was haben Sie gemacht, nachdem Sie die Enigma gefunden hat- ten? Welche Behörde haben Sie kontak- tiert?
Eine erste radiologische Untersuchung der Chiffriermaschine zeigt das einzig- artige Innere der Enigma
Die Enigma im Ostseesand
Leinen los!: Was ging Ihnen durch den Kopf, als Ihnen klar wurde, was für einen einmaligen Fund Sie gemacht haben? Huber: Erst zwei Wochen später konn- ten wir das Netz und die Schreibmaschine erneut ansteuern. Wir brachten den Fund an Deck unseres Arbeitsboots und erst da wurde uns 100 % bewusst, was wir da gefunden hatten. Die Freude war natürlich riesengroß. Es dürfte nur einmal im Leben passieren, dass man so einen Fund macht.
Leinen los!: Befand sich die Enigma in irgendeinem Fundzusammenhang oder haben Sie sie als Einzelfund geborgen?
Huber: Wir haben natürlich sofort das Archäologische Landesamt in Schles- wig (ALSH) verständigt und eine Fund- meldung erstellt. Wir stehen seit Jah- ren in engem Kontakt mit dem ALSH, weil wir immer wieder archäologische Funde machen. Und diese Funde sind von Gesetzes wegen auch meldepflichtig.
Leinen los!: Wie lautet Ihre Theorie, wie die Enigma auf den Grund der Ostsee gelangt sein könnte?
Huber: Anfang Mai 1945 war die Geltin- ger Bucht Schauplatz einer groß angeleg- ten Selbstversenkungsaktion der deut- schen Kriegsmarine. Gemäß „Regenbo- gen-Befehl" versenkten die Besatzungen von rund 50 U-Booten ihre Schiffe, um sie nicht an die Siegermächte übergeben zu müssen. Ob die gefundene Enigma aber tatsächlich von einem U-Boot stammt oder von einem der vielen Kriegsschiffe, die ebenfalls in der Geltinger Bucht lagen, müssen künftige Untersuchungen zei- gen. Denn eigentlich waren auf den deut- schen U-Booten ab Februar 1942 nur noch M4-Modelle im Einsatz. Die geborgene Enigma aus der Ostsee ist aber eine M3,
62 Leinen los! 1-2/2021
Foto: Radiologie Prüner Gang Kiel A. Schumm
Foto: Florian Huber/Submaris
Foto: Uli Kunz/Submaris


































































































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