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Die drei Leben der Gorch Fock (i) November 2003 – Rückkehr und Taufe der Großsegler-Legende
Peer Schmidt-Walther
Nach fünfjährigem Tauziehen und siebenwöchigem Facelifting auf der Volkswerft kehrte der „Weiße Schwan der Ostsee“ in seinen alten und gleichzeitig neuen Heimathafen Stralsund zurück. Am 29. November 2003 wurde die Bark, bis dahin die russisch-ukrainische TovArishch, auf ihren ersten Namen gorch Fock getauft – das dritte Leben des legendären Seglers seit 1933 begann.
Erich Lafrenz gestand: „Ich bin ja so aufgeregt“. Der damals 83-jährige Kieler konnte zu Recht sagen, auf der
ersten gorch Fock gefahren zu sein. „Als Wachtmeister war ich bis zur Ver- senkung des Segelschulschiffes am 30. April 1945 im Strelasund dabei.“ Des- gleichen Wolfgang Beeck, der letzte Vorsitzende der Bordgemeinschaft von 1945. Am 29.11.2003 waren er und drei seiner ehemaligen Kameraden (alle inzwischen verstorben) von der Bord- gemeinschaft gorch Fock Ehrengäste der Zeremonie.
Mit zwei Schleppern wurde die 1330-t-Bark durch die Ziegelgrabenbrü- cke an ihren alten und neuen Liegeplatz verholt. Punkt zehn Uhr hatte die gorch Fock festgemacht – an der Ballastkiste im Stralsunder Nordhafen, ihrem letzten Stral- sunder Liegeplatz. Sprachlos bestaunt von Tausenden Zuschauern. Sie warteten nur darauf, endlich „ihr“ Schiff besichtigen zu können. Doch was wäre alles ohne eine Zeremonie? Das Marinemusikkorps Ost- see besorgte die musikalische Einstim- mung mit „Gruß an Kiel“, die Stralsunder Partnerstadt, in der die zweite gorch Fock der Deutschen Marine zu Hause ist.
Die gorCH FoCk (I)
läuft am 29. November 2003 in Stralsund ein
Rosemarie Schmidt-Walther, wasch- echte Stralsunderin und Ehefrau des Ini- tiators der Rückholaktion von Wilhelms- haven nach Stralsund, stellte sich einem NDR-Interview: „Ein Schiff zu taufen, das macht man doch nur einmal im Leben“, sprach sie lächelnd von erhöhter Redner- position, wo auch städtische und Lan- desprominenz versammelt war, in die Mikrofone. „Vor 70 Jahren“, so begann die Taufpatin ihre Rede, „wurdest du mit einem Spruch des Dichters Johann Kinau alias Gorch Fock getauft. Seitdem hast du eine wechselvolle Geschichte durch- lebt,auchimwahrstenSinnedesWor- tes Höhen und Tiefen. Jetzt bist du wie- der zurückgekehrt in deinen alten Hei- mathafen Stralsund. Ich wünsche dir ein langes Schiffsleben und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel! Ich taufe dich auf den Namen gorch Fock!“ Nach gezieltem Wurf ein dumpfer Knall, und die Champagnerflasche platzte am schneeweißen Rumpf. Dann die Flaggen- parade: Eine überdimensionale schwarz- rot-goldene-Flagge wurde am Besan- mast gehisst. Kaum waren die letzten Klänge der Nationalhymne verweht und die Gäste im Kapitänssalon zum Sekt-
Taufpatin Rosemarie Schmidt-Walther und ihr Mann Peer nach der Taufe
Geschichte
Der „weiße Schwan der Ostsee“ im Jahr 1935 unter Vollzeug vor Rügen
empfang abgetaucht, hatten die Helfer des damaligen Fördervereins aus Frei- willigen keine Chance mehr: halb Stral- sund stürmte das neue maritime Symbol der Hansestadt. gorch Fock war endlich wieder zu Hause!
Am diesjährigen 29. November jährte sich das historische Ereignis zum 20. Mal. Doch der Liegeplatz ist leer, weil die „weiße Lady“ auf der Stralsunder Werft für ihr weiteres Leben als Museumsschiff „aufgehübscht“ wird. 7
Leinen los! 12/2023 35
Fotos: Archiv psw


































































































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