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Tod auf See
Ausflugsdampfer GEnEral SlocUm –
ein fröhlicher Ausflug endet als Katastrophe
Jan M. Witt
Teil 2
Seefahrt ist gefährlich. Seit sich der erste Mensch auf das Meer wagte, haben Stürme und Stran- dungen, ebenso wie Kriege und Piraten, zahllose Todesopfer gefordert. Trotz GPS oder Radar ereignen sich auch heute noch Unglücke auf See. In dieser Serie erinnern wir an zehn maritime Katastrophen, die der neuen Ausstellung „Tod auf See” im Marine-Ehrenmal zugrunde liegen.
Was als fröhlicher Ausflug geplant war, endete als Katastrophe. Der verheerende Brand auf dem New Yor- ker Ausflugsdampfer General slocum am 15. Juni 1904 kostete über 1000 Männer, Frauen und Kinder das Leben.
der luxuriösesten Schiffe, die Ausflugs- fahrten in den Gewässern rund um New York anboten. Allerdings hatte die Gene- ral slocum in den folgenden Jahren viel von ihrem ursprünglichen Glanz verlo- ren. Neuere Schiffe liefen ihr den Rang
Die Fahrt auf der General slocum sollte durch den East River in den Long Island Sund und weiter bis zum „Locust Grove“, einem Erholungspark bei Eatons Neck an der Nordseite von Long Island, gehen. Da es sich um einen Mittwoch handelte,
Geschichte
Die General SlocUm bei einer Ausflugsfahrt auf dem East River
Die nach einem Nordstaaten-General aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg benannte General slocum war 13 Jahre zuvor auf der Werft von Devine Burtis Jr. im New Yorker Stadtteil Brooklyn vom Stapel gelaufen. Das 70 m lange und 11 m breite, aus Holz gebaute Schiff wurde von einer Ein-Zylinder-Dampfma- schine angetrieben, die zwei Schaufelrä- der an den Schiffsseiten bewegte und eine Höchstgeschwindigkeit von 15 kn (28 km/h) ermöglichte. Insgesamt 3000 Fahrgäste hatten Platz auf den drei Pas- sagierdecks.
Bei ihrer Indienststellung galt die Gene- ral slocum mit ihrer gediegenen Aus- stattung einschließlich Samtstühlen, Teppichböden und Gemälden als eines
ab, zudem hatte die Reederei, die New Yorker Knickerbocker Steamship Com- pany, den Schaufelraddampfer längere Zeit vernachlässigt, um Kosten zu sparen. Am Tag des Unglücks war die General slocum zum Preis von $ 350 vom „Frau- enhilfsverein“ der lutherischen St.-Mar- kus-Kirche im East Village im New Yorker Stadtteil Manhattan gechartert worden, um wie jedes Jahr das Ende des Sonn- tagsschuljahres zu feiern. Die St. Markus- Gemeinde war einer der Mittelpunkte der deutschen Einwanderergemein- schaft in dem auch als „Little Germany“ oder „Kleindeutschland“ bekannten Stadtviertel auf der Lower East Side. Hier lebten damals rund 80 000 deutschstäm- mige Immigranten.
bestand die überwiegende Zahl der fast 1400 Passagiere an Bord aus Frauen und Kindern, da die meisten Männer wie üblich zur Arbeit gegangen waren.
Kurz nach dem Ablegen am 15. Juni 1904 entdeckten Angehörige der 22-köpfigen Besatzung der General slocum gegen 09.30 Uhr einen Brand in einem der vor- deren Laderäume, der vermutlich durch ein unachtsam weggeworfenes Zündholz oder eine brennende Zigarette entfacht worden war. Das Feuer fand in den dort gelagerten, leicht entzündlichen Stof- fen wie Öl und Farben reichlich Nahrung und breitete sich daher rasch aus. Damit nahm die Tragödie ihren Anfang. Mög- licherweise wäre der Brand beherrsch- bar gewesen, wenn die Reederei nicht
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