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Historisches Kalenderblatt 3/2025
Am 31. März 1940 lief die atlantis nach Kriegsbeginn wurde mit der Aus-
unter den Decknamen „Handels- störkreuzer 2“ von Wilhelmshaven als erster deutscher Hilfskreuzer zum Han- delskrieg in Übersee aus.
Hilfskreuzer waren Handelsschiffe, die bewaffnet und mit militärischer Besat- zung zur Verstärkung von Seestreitkräf- ten eingesetzt wurden. Da sie es kaum mit richtigen Kriegsschiffen aufnehmen konnten, fanden sie hauptsächlich im Handelskrieg Verwendung. Als normales
rüstung von Frachtschiffen für den Han- delskrieg begonnen. Darunter war auch die 1937 für die Hansa-Linie gebaute Goldenfels. Das 7862 BRT große Schiff, 155 m lang und 19 m breit, erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 16 kn. Als „Schiff 16” wurde es am 30. November 1939 in Dienst gestellt und erhielt den Namen atlantis. Der Hilfskreuzer hatte eine Besatzung von 350 Mann und eine Seeausdauer von etwa 12 Monaten. Er war mit sechs 15-cm-Schnellfeuerkano- nen und einem 7,5-cm-Schnellfeuerge- schütz bewaffnet, die hinter speziellen Klappen verborgen waren. Hinzu kamen sechs Flugabwehrkanonen vom Kaliber 3,7 cm und 2 cm sowie vier Torpedo- rohre und 400 Minen. Zudem hatte die atlantis zwei Flugzeuge vom Typ Heinkel He 114 B an Bord.
Die unter dem Kommando von Kapi- tän zur See Bernhard Rogge stehende atlantis hatte Befehl, im Indischen Ozean Jagd auf feindliche Handels- schiffe zu machen. Bereits einen Monat nach ihrem Auslaufen konnte die atlan- tis mit der Versenkung des britischen Frachters scientist einen ersten Erfolg verzeichnen. Im Indischen Ozean ange- kommen, machte die atlantis Jagd auf feindliche Handelsschiffe und legte vor Südafrika Minen. Um den Feind zu täu- schen, tarnte sich der Hilfskreuzer durch provisorische Umbauten und neue Anstriche als neutrales oder alliiertes Handelsschiff.
Nachdem Kapitän Rogge im Oktober 1941 um Kap Hoorn herum in den Süd- atlantik zurückgekehrt war, erhielt er den Befehl, den Handelskrieg abzubre- chen und als Versorger für eine U-Boot- Gruppe zu fungieren, da das dafür ursprünglich vorgesehene Schiff ver- senkt worden war.
Am 22. November 1941 wurde die atlan- tis nordwestlich der Insel Ascension bei der Versorgung von U 126 von dem weit überlegenen britischen Schweren Kreu- zer devonshire überrascht und angegrif- fen. In dem ungleichen Gefecht wurde
„Heizergruß” von der aTlanTiS
Handelsschiff getarnt, näherte sich ein Hilfskreuzer einem feindlichen Frachter, gab sich dann als Kriegsschiff zu erken- nen, um sein Opfer anschließend zu ver- senken oder als Prise aufzubringen. Über die Schädigung des feindlichen Handels hinaus sollten die Hilfskreuzer aber auch alliierte Seestreitkräfte binden, die damit an anderen Kriegsschauplätzen nicht verfügbar waren.
Trotz der guten Erfahrungen der Kai- serlichen Marine während des Ersten Weltkrieges hatte die Kriegsmarine zunächst keine Vorbereitungen für den Einsatz von Hilfskreuzern getroffen. Erst
Überlebende der Selbstversenkung in Rettungsbooten
Kapitän zur See Rogge, 1939
die atlantis schwer beschädigt, weshalb Rogge schließlich die Selbstversenkung befahl. Die devonshire zog sich wegen der U-Boot-Gefahr zurück, sodass U 126 die Besatzung der atlantis teils an Bord, teils in den nachgeschleppten Rettungsboo- ten in Sicherheit bringen und zwei Tage später an das deutsche Versorgungs- schiff Python übergeben konnte, das jedoch am 1. Dezember 1941 ebenfalls von einem englischen Kreuzer gestellt und von der Besatzung selbstversenkt wurde. Die Mannschaften der atlantis und der Python wurden von deutschen und italienischen U-Booten aufgenom- men, die nach einer abenteuerlichen Fahrt Ende Dezember 1941 wohlbehal- ten ihre an der Küste Frankreichs gele- genen Stützpunkte erreichten. Bis auf elf Mann war die Besatzung der atlantis in die Heimat zurückgekehrt.
Mit ihrer 622 Seetage dauernden Reise von insgesamt 102 000 sm verzeichnet die Bilanz des Einsatzes der atlantis nicht nur die längste ununterbrochene Fahrt, son- dern mit 22 Handelsschiffen von insge- samt 145 698 BRT auch den größten Ver- senkungserfolg eines Hilfskreuzers des Zweiten Weltkrieges. 7
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