Page 41 - Leinen los! 04/2023
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MARITIME SICHERHEITSPOLITIK
CMosi II – ein Lehrstück globaler Politik
hina, Russland und Südafrika beendeten Ende Februar ihre zielgerichtete Strategie. Mit Ausbildungsmissionen oder Initi-
zehntägige gemeinsame Marineübung Mosi II, die sich mit ativen, zu der die Neuauflage der Maritimen Sicherheitsstrate- dem Jahrestag der russischen Invasion der Ukraine überschnitt. gie, in der auch Afrika eine Rolle spielt, gehört, wird auf sicher-
Drei moderne chinesische Einheiten, die russische Fregatte admI- ral gorshkov, Träger des hyperschallschnellen Zirkon-Flugkör- pers gaben sich mit einer südafrikanischen Fregatte im Indischen Ozean vor Durban ein Stelldichein. Der Seephase ging ein ein- wöchiger Hafenaufenthalt mit den zu derartigen Anlässen übli- chen Aktivitäten in Richards Bay voraus.
Die Durchführung dieser Übungen macht den strategischen Wan- del des afrikanischen Kontinents, der sich nicht nur in Südafrika vollzieht, deutlich.
Regionale Beobachter vermerken eine Zunahme russischer Mari- nepräsenz im Indischen Ozean in den letzten zehn Jahren. Russ- land hat gemeinsam mit China und dem Iran Marineübungen im nördlichen Indischen Ozean durchgeführt. Der zu erwartende Militärstützpunkt in Bur Sudan am Roten Meer wird Moskaus stra- tegische Reichweite und Präsenz in Afrika und darüber hinaus bis in den Nahen und Mittleren Osten erhöhen. Russlands Söldner der Wagner-Gruppe sind in West- und Zentralafrika im Einsatz. Nicht nur zur Bekämpfung von islamistischen Gruppen, sondern auch zur Beeinflussung der Regierenden und Manipulation für Zwecke des Kremls.
Der Kreml nutzt die Gelegenheiten wie Mosi II als Mittel strate- gischer Kommunikation. Der eigens angereiste Oberbefehlsha- ber der Seestreitkräfte der Russischen Föderation, Admiral Niko- lai Evmenov, musterte seine Besatzungen zum Tag des Verteidi- gers des Vaterlandes am 23. Februar in Richards Bay. Die Entsen- dung der admIral gorshkov, ist nicht nur eine Waffenschau und Demonstration von Stärke, sondern auch der vorgebliche Beweis, dass Russland imstande ist, trotz der Belastung seiner Streitkräfte und seiner Wirtschaft, seine internationalen militärischen Bezie- hungen aufrecht zu erhalten.
China unterhält seit 2017 einen Militärstützpunkt in Djibouti und pflegt enge Beziehungen zu Ländern im westlichen Indischen Ozean wie Kenia, Tansania und Madagaskar. Marineübungen mit Russland und Südafrika, der Ausbau der Beziehungen zum Iran wie auch zu Pakistan, die sich abzeichnende Errichtung einer Militärba- sis im pakistanischen Gwadar, eine ständige Task Force im Golf von Aden und nicht zuletzt die Ankündigung vom Januar 2023, in Dji- bouti einen Weltraumbahnhof aufzubauen: Dies alles deutet nicht nur auf die wachsende chinesische Präsenz im Indischen Ozean hin. Es schafft auch Unruhe im strategischen Gleichgewicht und wirkt bis in den afrikanischen Kontinent hinein. So sehen indische Kom- mentatoren Übungen wie Mosi als ein Indiz, dass die Region auf mehr Unsicherheit und Wandel zusteuert. Eine strategische chine- sisch-russische Zusammenarbeit im Indischen Ozean hat geopoli- tische Auswirkungen nicht nur für Indien, sondern auch für Austra- lien, Japan und die USA, die anderen Partner des quatrilateralen Sicherheitsdialogs – um nur eine der zahlreichen Foren anzuführen. Demgegenüber gleicht Brüssels Umgang mit Afrika eher einer auf Symptombehandlung ausgelegten Therapie und ist keine wirklich
heitspolitische Entwicklungen auf dem afrikanischen Konti- nent wie Migration oder islamistischen Terrorismus reagiert. Eine gemeinsame Politik scheitert an den unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten. Beispiel Frankreich. Paris will weg von der aus seiner Sicht entstandenen Logik, es halte für die Gewährleistung von Sicherheit den Kopf hin, während andere die Geschäfte machen. Bei der Vorstellung der neuen Afrikastrategie am 27. Februar 2023 kündigte Staatspräsi- dent Emmanuel Macron einen „Übergang von einer Logik der Hilfe zu einer Logik der solidarischen und partnerschaftli- chen Investition“ an. Dies ginge einher „mit einer sichtbaren Verringerung unserer Personalstärke und einer gleichzeitigen Erhöhung der Präsenz unserer afrikanischen Partner in die- sen Stützpunkten“. Abstimmung mit anderen europäischen Partnern? Fehlanzeige.
Mosi II kann als ein Indiz verstanden werden, dass die von der westlichen Staatengemeinschaft erhoffte Isolierung Moskaus infolge der völkerrechtswidrigen Invasion in die Ukraine im Glo- balen Süden nicht die erwarteten Früchte trägt. Die Friktion trat beim letzten G 20-Außenministertreffen in Indien offen zutage. Hinzu kommt, dass China nicht als systemischer und ökonomischer Rivale empfunden wird.
In Afrika ist es dem Kreml gelungen, seine Version zu vermark- ten. In der UN-Generalversammlung vom 23. Februar 2023 gehörten erstmals zwei afrikanische Staaten zu den (sieben) ablehnenden Stimmen einer Verurteilung Russlands. Auffäl- lig: von den 32 Enthaltungen stammen 14 aus Afrika.
Auch, wenn Russland gegen das Völkerrecht verstößt, so sieht sich der ‚kollektive Westen‘ in Afrika mit der drastischen Wahr- heit konfrontiert: der Globale Süden sieht das Vorgehen des Westens kritischer. Das regelbasierte System wird in Frage gestellt, weil es aus afrikanischer Sicht und den Erfahrungen, die der Kontinent damit gemacht hat, nicht konsequent ange- wendet wird. Irak, Afghanistan, Syrien, die europäische Mig- rationspolitik sind Beispiele der empfundenen mangelnden Kohärenz. Der Erfolg der politischen Arbeit des kollektiven Westens wird gemessen an der konsequenten Anwendung des regelbasierten Wertesystems. Hinzu kommt die afrikani- sche Erwartung, dass von einer Geberhaltung auf eine echte Partnerschaft umgeschaltet werden sollte, bei der die Gemein- samkeiten identifiziert und zu einer strategischen Agenda kon- kludiert werden.
So wird Mosi II, eine Marineübung, zu einem weitreichenden Lehrstück – über ihre militärischen oder operativen Erkennt- nisse hinaus. 7
Hans Uwe Mergener, ehemaliger Marineoffizier und Schnellboot- fahrer, ist non-resident fellow am Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK)
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