Page 18 - BilD am Sonntag (+15.07.2018)
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15. Juli 2018 19
18 Deutschland & die Welt BILD am SONNTAG,
Julia Petereit (28, Mitte) kümmert Julia Petereit transportiert mit
sich auf der Intensivstation Assistenzarzt Florian Krüger einen
des Unfallkrankenhauses
Patienten in seinem Bett von der
Berlin mit einer Kollegin um Intensivstation in den Operations-Saal
einen Patienten. Im Vordergrund
misst eine medizinisch-technische
Assistentin die Gehirnströme
eines 73-jährigen Mannes,
der nach einer Hirnblutung
im künstlichen Koma liegt
Pfeger Stefan Blum (32) trägt einen
Mundschutz und eine keimabsorbierende
Schürze, da er eine Patientin in einem
Isolierzimmer der Intensivstation
betreut. Im Hintergrund bewachen zwei
Polizeibeamte den Eingang zu einem
Patientenzimmer
In der Mittagspause
unterhalten sich
die Pfeger über den
Gesundheitszustand
ihrer Patienten
Arbeiten zwischen
Leben und Tod Im sogenannten
Infusiomat können
Spritzen und Beutel
mit Medikamenten
angeschlossen
und verabreicht
werden
Ein Rettungshubschrauber
Wenn Lungenentzündung, Hirntrauma und künstliches Koma Alltag sind – BamS besucht im Oberarzt Jan Baus (45) landet auf dem Dach des
Unfallkrankenhauses
im Gespräch mit BamS-
Unfallkrankenhaus Berlin eine von Deutschlands größten und modernsten Intensivstationen Reporter Marcus Hellwig Berlin (ukb)
Die Tür zur Intensivstation ist er Intensiv-Pfeger. Dafür hat er nach sind krank. Blum seufzt: „Alltag.“ arzt Jan Baus. Seit vier Jahren küm- den Patienten-Computer ein, der telt greift der Patient mit seiner lin- merklich ihren Kopf. Blum wer
himmelblau. Sie liegt kurz vor einer dreijährigen Ausbildung zum Er schaut auf die Liste der Patien- mert sich der Intensiv-Mediziner neben dem Bett an einem Gestän- ken Hand in die Luft. Grummelnd das als Nicken, sagt: „Okay. Sie nächst im
dem Ende eines langen Flurs im Krankenpfeger eine zweijährige ten und stellt nüchtern fest: „Hier um die „Überwachung und Unter- ge hängt, kontrolliert die Werte. und leicht stöhnend wirft er seinen kriegen jetzt ein Schmerzmittel. einen Sc
Berliner Unfallkrankenhaus ukb. Weiterbildung für Anästhesie- und geht es zu wie in einem Bienen- stützung angegrifener oder aus- Und verlässt den Raum. Kopf zur Seite. „Ist schon gut“, sagt Dann geht es wieder besser.“ Der sackt der Blutdruc
Wer über ihre Schwelle tritt, Intensivpfege angehängt. Blum sagt: schwarm. Man fndet die Station gefallener Organsysteme“ seiner 8.48 Uhr. Die „schweren Fälle“ Julia Petereit beruhigend und er- Pfeger öfnet ein Fach am Infusio- plötzl
wird von kühler Luft empfan- „Die beste Entscheidung meines am Morgen selten mit den gleichen Patienten. Er weiß: Ein zweistün- fand Julia Petereit schon immer klärt: „Er ist nicht sediert“ (Anm.: maten. Dort können in mehreren tor blinkt de
gen. Links steht ein Tresen, an Lebens. Ich kann mir nichts ande- Patienten vor wie noch am Abend.“ diges Gespräch mit einem Ange- „besonders interessant“. Die Fach- zentrale Funktionen des Nervensys- übereinandergestapelten Fächern te ich bitte
dessen Rückwand Monitore blin- res mehr vorstellen.“ 6.40 Uhr. Auf einem der Isolier- hörigen kann eine zweiwöchige krankenschwester ist im Januar aus tems sind nicht durch Medikamente – die wie DVD-Player aussehen – ruft Stefan Blum über de
ken und piepen. Ein akustischer Alarm unter- Zimmer – dort soll mit einer Schleu- Behandlung aufwiegen. Baus: „Um Baden-Württemberg nach Berlin gedämpft). Die Pfegerin nimmt die Medikamente wahlweise über Sprit- der Intensiv-Station. Eine Kol
bricht ihn. Am Empfang zuckt in se und dem Tragen von Schutz- uns zu zeigen – was ist das für ein umgezogen, weil sie auf einer der immer noch in die Luft ragende zen oder Beutel dem Patienten ver- bringt ihm eine randvolle Spritze,
einem Monitor ein gelbes Warn- kleidung die Verbreitung von ge- Mensch, der da vor uns liegt? Was modernsten deutschen Intensiv- Hand, legt sie auf die blitzweiße abreicht werden. die der Pfeger der Patientin gibt. „Ich schließe de
VO N M A R CUS H E L L W I G licht. Blum bleibt ent- fährlichen Keimen erwartet er von mir als Arzt?“ stationen arbeiten wollte: Im ukb Bettdecke und streichelt sie kurz. 11.03 Uhr. Es klopft am Türrah- Innerhalb von einer Minute steigt
F OTO S PA R W E Z
spannt: „Es gibt drei Si- BamS vermieden werden – 7.00 Uhr. Auf dem Gang herrscht liegt die medizintechnische Aus- „Er ist seit elf Tagen bei uns, hat men. „Ich komme für eine Ultra- der Blutdruck wieder auf das nor- Petereit und
gnale – aufsteigend: Blau, liegt eine 68-jährige plötzlich Gedränge. Visite. Chef- stattung bei etwa 90 000 Euro pro eine Blutvergiftung durch eine In- schallbehandlung“, sagt eine Ärz- male Niveau. Flüssigkeit in einer Spritze auf.
Es sieht aus wie der Komman- Gelb, Rot. Sie zeigen an, Reportage Frau unter einer ärzte, Oberärzte und Assistenzärz- Bett. Nun steht sie in einem Zim- fektion an den Beinen“, sagt Pete- „Kennen Sie vielleicht durch Mi- Blum übergibt seine Patien
dostand eines Raumschifs. Hier wenn der Wert eines Pa- Heizdecke. Im difu- te schieben sich an zwei Polizisten mer, das sich die beiden ihr zuge- reit. Nach einem Blick auf das di- chael Jackson. Das ist Propofol“, eine Kollegin. Die schreibt
wird in Echtzeit dargestellt wie es tienten außerhalb der To- sen Licht glänzt ihr vorbei. Die Beamten bewachen den teilten Patienten teilen. Durch das gitale Patienten-Dossier weiß sie, Intensivstationen in Not erklrät sie. Das Narkosemittel
den 32 Patienten der Intensivsta- leranz liegt. Also zum Bei- sonnengebräuntes Gesicht. Die Pa- Eingang zu einem Patientenzim- Fenster ist ein stahlblauer Himmel dass der Mann heute operiert wird. bei Anästhesisten aufgrund seiner Stück Papier.
tion H2 geht: im teils zittrigen Auf spiel der Blutdruck ins Bodenlose tientin kam am Vortag mit einem mer. Dort liegt ein Häftling – Voll- zu sehen. Ein Stockwerk tiefer 9.21 Uhr. Unterdessen saugt Ste- 53 Prozent der Klini- Die Deutsche
und Ab von Herzfrequenz, Sauer- fällt oder die Körpertemperatur Rettungsfieger aus Italien. Sie war bart, stark tätowierter Oberkörper schlendern Besucher, sommerlich fan Blum bei seiner zweiten Pati- ken haben Prob- Gesellschaft für und ps
stofsättigung, Blutdruck, Körper- extrem ansteigt. Ich laufe bei Rot. im Urlaub eine Treppe hinunter- – mit bandagiertem Bein grinsend gekleidet, zum Haupteingang des entin mit einem Röhrchen die Lun- leme, Pfegestellen Internistische Bela
temperatur und Puls. BamS hat ei- Dann geht es um Leben oder Tod.“ gestürzt, hatte sich eine Gehirn- im Bett. Blum wendet sich wieder Krankenhauses. ge ab. „Sie hat eine schwere Lun- im Intensiv-Bereich Intensivmedizin vergleichsweise freue
ne Schicht begleitet. 6.30 Uhr. Alle Pfeger trefen sich blutung zugezogen. Jetzt liegt sie seiner Patientin zu. „Ich wechsele Petereit hat dafür keinen Blick. genentzündung“, sagt Blum. Die zu besetzen. Min- und Notfallmedizin schlechte
Es ist 6.20 Uhr. Für Stefan Blum zur Übergabe in einem Gemein- im künstlichen Koma. später Ihre Schmerzmittel, muss Sie lächelt den 48-jährigen Mann 74-jährige Frau röchelt leise. „Sa- destens 3150 Stel- (DGIIN) sieht die lung der Pfege-
beginnt in wenigen Minuten die schaftsraum. Für die Schicht ste- „Wir regeln Dinge, mit denen die jetzt zu meiner anderen Patientin“, an, der vor ihr im Bett liegt. Seine gen Sie mal, ob das wehtut?“, fragt len sind derzeit frei. Gründe in d
Frühschicht. Seit sechs Jahren ist hen 14 Pfeger zur Verfügung, zwei Leute nicht rechnen“, sagt Ober- sagt Blum. Dann loggt er sich in Augen sind geschlossen. Unvermit- Blum. Die Patientin bewegt kaum Zimmer der verunglückten Urlau- Leben an.
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