Page 9 - LESEPROBE: Vögel im Naturgarten © CADMOS.de
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     Die Amseln haben Sonne getrunken
Die Amseln haben Sonne getrunken, aus allen Gärten strahlen die Lieder, in allen Herzen nisten die Amseln, und alle Herzen werden zu Gärten und blühen wieder.
Nun wachsen der Erde die großen Flügel und allen Träumen neues Gefieder;
alle Menschen werden wie Vögel
und bauen Nester im Blauen.
Nun sprechen die Bäume in grünem Gedränge und rauschen Gesänge zur hohen Sonne,
in allen Seelen badet die Sonne,
alle Wasser stehen in Flammen,
Frühling bringt Wasser und Feuer liebend zusammen.
Max Dauthendey (1867–1918)
 Revierverhalten
Wenn du in deinem Garten beobachtest, wie sich im Februar die Amselhähne balgen oder im Juni die Buchfinkenmänn- chen scheuchen, sogar wenn du dem Frühling verkündenden Gesang der Kohlmeisen im März lauschst, dann bist du immer Zeuge einer Revierverteidigung dieser Vögel. Mal zeigt die Kohlmeise dabei eine Grenze auf: „Hier wohnt schon jemand – ich.“ Oder du erlebst eine Attacke des Buchfinks: „Runter von meinem Gelände!“ Der Kampf Amsel gegen Amsel zum Bei- spiel, setzt noch deutlicher auf das Recht des Stärkeren. Du siehst: Die Revierverteidigung der Vögel hat unterschiedliche Formen. Einige setzen auf Warnung aus der Distanz, andere auf Konfrontation mit Körperkontakt. Dabei gibt es eine typi- sche Reihenfolge: Erst die Warnung, dann die Balgerei.
Ob der Zaun den Ärger wert ist?
Warum aber tun die Vögel das und wie groß ist überhaupt ein Revier, das ein Vogel(paar) für sich in Anspruch nimmt? Re- viere bedeuten für Vögel zweierlei: Hier haben sie das Sagen, wenn es um Paarbildung, Brut und Jungenaufzucht geht. Da- bei wollen sie von Rivalen ungestört sein. Aber auch Nahrung, Nistplätze und Nistmaterial wollen sich Vogelpaare nicht von anderen Artgenossen auf gleicher Fläche streitig machen lassen.
Die Größe eines Vogelreviers ist von Art zu Art, aber auch von Situation zu Situation unterschiedlich. Geht es um den Revier- bereich Nest, so kann das aus dem kleinen Terrain in unmit- telbarer Nestumgebung bestehen, z. B. in Brutkolonien von Seevögeln auf Klippen. Komplette Reviere können aber auch einige zig Quadratkilometer groß sein, wie im Falle derjenigen von Steinadlern. Wesentlich hängt die Reviergröße davon ab,
ob eine Vogelart darin all diejenigen Strukturelemente vor- findet (z. B. Nistplätze, Rückzugsraum) und Nahrungsquellen, die sie benötigt. Wenn also Nahrung, Nistplätze und Nistmate- rial auf vergleichsweise kleiner Fläche verfügbar sind – auch okay. Um dir eine Vorstellung von Reviergrößen verschiedener Arten zu geben, schau mal hier: Ein Grauammer-Pärchen fin- det alles, was es braucht, auf etwa einem Hektar (ha) Weide- land. Na? Wie groß ist ein ha? Stimmt: 100 m × 100 m, also 10.000 m2. Einer Goldammer reichen schon 2000 m2 (= 0,2 ha) Baumhecken, wenn ihr da alles passt. Ein Gartenrotschwanz braucht bis zu einem halben Hektar (= 5000 m2) Reviergröße. Was bedeutet das praktisch für deinen Garten? Nun, dieses Buch zeigt dir in vielen Facetten auf, was du von Fütterung bis Nisthilfe in deinem Garten oder auch Schulgarten für unter- schiedliche Vogelarten tun kannst. Wenn du Vögel unter- stützt, z. B. durch hilfreiche Gartenbepflanzung, durch das Aufhängen von Nistkästen, das Hinstellen von Vogeltränken und Sandbädern, durch ganzjähriges Füttern, dann finden Vögel mehr Struktur und mehr Nahrung auf einer kleineren Fläche. Ihre Reviere werden somit kleiner. Dadurch ergibt sich
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