Page 35 - Serviert das Magazin Heft 3
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Klarissa Klawitta
SECRETUM LIBELLUS
Die Abenteuer der Pummelfee
Im Grunde genommen besäße er noch nicht einmal die Befugnis, sich mit uns in Verbindung setzen.
Entschuldigung, Sie fragen sich, wer wir sind?
Wir sind das Team für gefährliche sowie aus- sichtslose Fälle. So wie Castle und Becket, Hard- castle und McCormick, mindestens aber wie Ro- mina und Albano.
Neugierig, unerschrocken — aber chronisch knapp bei Kasse.
Aber ich schweife ab.
Der geheimnisvolle Anrufer versprach, uns kö- niglich zu bezahlen. Jetzt hatte er meine volle Aufmerksamkeit.
Ich drehte den Oberkörper nach links, schüttel- te die Pummelfee an der Schulter. Schlaftrunken, sich zur Seite wälzend, schaute sie mich fragend an. Das Telefongespräch auf mithörend stellend deutete ich ihr zu lauschen. Sie rollte die Augen und gähnte.
Zuhörend kramte sie in ihrem Nachtschränkchen, wedelte triumphierend in meine Richtung: Scho- kolade, das einzige Heilmittel zu nachtschlafen- den Zeiten. Knabbernd hörten wir weiterhin zu.
Der namenlose Anrufer erklärte, dass er aus dem Amazonas-Gebiet anrief. Ich setzte mich noch aufrechter hin. Verdammt, diese Geschichte schien aufregend zu werden. Konzentriert folgte ich weiter dem Gespräch.
Er räusperte sich, holte tief Luft: Dort im Herzen des Dschungels hatte ein Grün-Pfeil-Giftfrosch sich schwer verletzt.
Stopp, Halt: Ein Grün-Pfeil-Giftfrosch?
Mit einer Hand hangelte ich nach dem Lexikon unter dem Bett, schlug es auf und suchte nach dem Frosch.
Grün-Pfeil-Giftfrosch! Gigantischer Springer. Aha, aha. Beheimatet im Amazonas. Einzigartig. Soso. Standort: Unbekannt. Ich klappte das Buch zu- sammen und warf es wieder unter das Bett.
Der Fremde flüsterte mit leicht erstickter Stim- me: Er, der Grün-Pfeil-Giftfrosch, der Favorit der alljährlichen Wettkämpfe im Hürdenspringen, er hatte sich den Schenkel ausgerenkt. So etwas war noch nie geschehen. Unvorstellbar. Unmög- lich!
Er weinte beinahe am Telefon.
Ich sagte ihm Hilfe zu. Er versprach, unseren Transport zu organisieren. Eile war geboten, wir
mussten sofort los.
Die Schlafdecke von mir werfend, sprang ich aus dem Bett und ging zur Kommode, mir unter- wegs Zettel sowie Stift greifend. Die wesentlichs- ten Daten notierend, hüpfte ich auf einem Bein durch das Zimmer, ums Gleichgewicht kämp- fend, bei dem Versuch eine Socke über meinen Fuß zu ziehen. Ich brummelte vor mich hin. Pum- melfee, derweil schon angezogen, stand im Ar- beitszimmer vor den leeren Rucksäcken.
In Windeseile die Bündel gepackt: Wasserfla- schen, Schweizer Taschenmesser, Schlafsäcke, Kompass, Akupunkturnadeln, Gummibärchen, Pastete, Tee, Brot, Suppe und was sonst noch Abenteurer auf ihren Reisen so brauchten.
Unsere Expedition ins Ungewisse begann. Mein Herz schlug schneller, ein leichter Schauer lief mir den Rücken herunter. Die Pummelfee tänzel- te quer durch die Stube, ein Liedchen summend. Wir waren bereit.
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