Page 639 - Betriebshandbuch ebook Julni2107
P. 639

so dass der Kontenabruf eher verstärkt weiterläuft. Da- bei sind sechs Anlässe hervorzuheben:
 Anleger mit einer Progression unter 25 % geben ihre Kapitaleinnahmen weiter dem Finanzamt an, um die Differenz zur Abgeltungsteuer über eine Günstigerprüfung erstattet zu bekommen. Hier dür- fen die Beamten bei Zweifeln einen Kontenabruf starten, um überprüfen zu können, dass auch tat- sächlich sämtliche Erträge angegeben werden und nicht nur ein Teil, der unter dem Abgeltungssatz von 25 % liegt.
 Beantragen Eltern Kinderfreibeträge, kann über einen Kontenabruf geprüft werden, ob der volljähri- ge Nachwuchs nicht zu viel Zinsen für die Förde- rung kassiert.
 Zinsen oder Kursgewinne müssen auch nach 2008 und vor 2012 in die Steuererklärung, wenn Spen- den, Unterhaltszahlungen, Ausbildungsfreibe- trag oder generell außergewöhnliche Belastun- gen geltend gemacht werden. Hier soll der Kon- tenabruf klären, ob tatsächlich alle bereits der Ab- geltungsteuer unterliegenden Kapitalerträge exakt angeben worden sind.
 Zur Suche nach Spekulationsgewinnen darf gene- rell eine Abfrage gestartet werden, da diese Erträge nicht der Abgeltungsteuer unterliegen.
 Die Vollstreckungsstelle möchte prüfen, ob der säumige Steuerzahler nicht doch über bislang un- bekannte Bankguthaben verfügt.
 Im Rahmen einer Betriebsprüfung dürfen Finanz- beamte die besuchten Unternehmer, Freiberufler und gutverdienenden Privatpersonen um einen Kontenabruf bitten. Diese können das zwar ableh- nen, dann drohen aber Hinzuschätzungen beim Gewinn. Wird dem Suchlauf zugestimmt, kommen alle privaten und betrieblichen Konten auf den Tisch des Finanzamts.
3 EU-Zinsrichtlinie
Die Kontenkontrolle wurde flankiert von grenzüber- schreitenden Maßnahmen. Seit Juli 2005 tauschen die meisten EU-Staaten Kontrollmitteilungen über Kapi- talerträge aus. Die restlichen EU-Länder Österreich und Luxemburg führen gemeinsam mit Drittländern, wie der Schweiz, Liechtenstein, Monaco, den Kanalinseln und sogar den britischen Jungferninseln sowie den Nieder- ländischen Antillen, eine Quellensteuer für Anleger mit Wohnsitz in einem anderen EU-Staat ein.
Die Erträge deutscher Sparer z.B. aus den Niederlan- den, Polen oder Dänemark werden dann jährlich der heimischen Finanzbehörde gemeldet. Selbst wenn nur ein Euro Zinsen fließen, wird die Kontoverbindung transparent. Nachfragen über detaillierte Auflistungen
von Auslandserträgen in den vergangenen Jahren so- wie nach der Herkunft der Gelder sind vorprogrammiert. Aus Staaten mit Quellensteuer kommt keine Kontroll- mitteilung, die Quellensteuer wird anonym einbehalten. Ihre Erstattung kann aber nur mit der heimischen Steuererklärung erfolgen, wenn auch gleichzeitig die Kapitalerträge versteuert werden.
Die EU-Kontrollen haben aber noch eine Vielzahl von Schlupflöchern. Denn eine Reihe von Kapitalerträgen erfasst die EU-Richtlinie überhaupt nicht:
 alle Wertpapierverkäufe sowie Options- und Ter- mingeschäfte,
 Dividenden, auch bei Aktienfonds,
 Erträge aus Lebensversicherungen,
 Zinsen aus Anleihen, die vor März 2001 emittiert wurden,
 Fonds mit einem Rentenanteil von maximal 40 %,
 Erträge auf Konten von Kapitalgesellschaften,
 Zertifikate und Optionsscheine.
Die Tendenz geht daher im Ausland hin zu Zertifika- ten, Lebensversicherungen und Fonds, die in nicht er- fasste Produkte investieren oder die 40%-Grenze ein- halten. Zwar ist die Zinsrichtlinie noch „unvollständig“, jedoch ist der Einstieg in die internationale Kapitalkon- trolle erfolgt und sorgt durch die gesetzlichen Verschär- fungen für ein zunehmendes Erfassungsnetz. So können auch die Sozialbehörden mittels Datenabgleich auf die von Auslandsbanken gemeldeten Kontoinforma- tionen zugreifen.
4 Weitere Maßnahmen
Die beschriebenen neuen Kontrollwege sind aber nicht die einzigen Möglichkeiten des Finanzamts, an Informa- tionen über Kapitalerträge zu kommen.
4.1 Freistellungsauftrag
Bereits seit 1999 melden Banken, wie viel sie auf Grund von Freistellungsaufträgen, also ohne Steuerabzug, ih- ren Kunden ausbezahlen. Diese Information beinhaltet nicht nur Erträge, sondern auch den Namen des Konto- inhabers und die Bankverbindung. Daten, auf die Fi- nanz- und Sozialbehörden zugreifen können: Seit 2009 umfasst die Meldung auch Börsen- und Terminmarkt-
Merkblatt
Beispiel
Ein deutscher Anleger erzielt sowohl in Salzburg als auch in Madrid Zinseinnahmen von je 1.000 €. Auf dem spani- schen Konto wird der komplette Betrag gutgeschrieben und nach Deutschland gemeldet. Österreich behält 200 € Quel- lensteuer ein, die nur über die inländische Steuererklärung erstattet wird, wenn die Auslandseinnahmen vollständig angegeben worden sind.
Die neuen Kontrollen bei Kapitalanlagen
Seite 3 von 5


































































































   637   638   639   640   641