Page 19 - Protect-it_Ausgabe_59_2021

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und anderen Terrorangriffen.»
Auch David Sedney, ein hochrangiger Pentagon-Beamter un-
ter Obama, der jetzt im «Center for Strategic and Interna-
tional Studies» arbeitet, nennt die Entscheidung «strategisch
dumm, eine humanitäre Katastrophe und moralisch verwerf-
lich».

BEDINGUNGSLOSER RÜCKZUG – DER SCHOCK
Der afghanische Präsident Ashraf Ghani und Biden hatten vor
der offiziellen Ankündigung des Rückzugs nochmals eine kur-
zen telefonischen Kontakt. Ghani erfuhr erst kurz vorher von
der Entscheidung in einem Telefonanruf von Aussenminister
Antony Blinken.
Die afghanische Regierung wurde von Bidens Entscheid des
bedingungslosen Rückzugs der USA unangenehm überrascht
und zeigt sich schockiert, war doch in der von der Trump-Ad-
ministration vereinbarten Vorlage, von einem „bedingungs- Afghanische Frauen unter den Taliban – unterdrückt durch
basierten Abzug“ der US-Truppen die Rede. Joe Biden hatte Religiondoktrinaliban
wohl einfach genug von dem Geplänkel der Kriegsgegner in
Afghanistan, die sich seit Monaten nicht auf einen Friedens- sind, desto verwundbarer werden sie sein – obwohl die USA
abschluss einigen wollen. Zu den grössten Frustrationen der und die NATO gedroht haben, auf Angriffe auf die anziehen-
Ghani-Regierung gehört wohl, dass die USA bei ihren lau- den Streitkräfte äusserst hart zu antworten.
fenden Verhandlungen über ein Friedensabkommen mit den
Taliban abrupt einen Verhandlungstrumpf vom Tisch neh- MISSION MODERNE GESELLSCHAFT – GESCHEI-
men – die erhoffte Hebelwirkung der US-Truppenpräsenz als TERT
Druckmittel gegen die Taliban. Als die USA und ihre Verbündeten 2001 in Afghanistan in
Die, trotz laufender Friedensverhandlungen, verstärkte Ge-
walt der Taliban gegen die afghanische Regierung der letzten den Krieg zogen, um den sicheren Hafen zu beseitigen, den
die Taliban für Al-Qaida vorgesehen hatten, hoffte man weit-
Monate hat jedoch die Friedensgespräche zwischen den Mili-
tanten und der afghanischen Regierung ins Stocken gebracht gehend, dass die Frauen des Landes von einem Regime befreit
würden, das sie ihnen Bildung und Arbeit untersagte, sie an
– aber auch die US-Regierung zunehmend genervt. Inzwi- den Herd im Haus zwang und mit drakonischen Strafen je-
schen müssen sich die im Land verbliebenen US-Streitkräfte
wieder mehr auf die Terrorismusbekämpfung konzentrieren den Verstoss gegen die strenge Auslegung des Islams bestrafte.
Unter den Taliban, die von 1996 bis 2001 Afghanistan regier-
statt auf direkte Beratung, Logistik und Luftunterstützung
der afghanischen Streitkräfte, die nun wieder zunehmend ten, wurden Frauen, denen Ehebruch vorgeworfen wurde, zu
Tode gesteinigt. Diejenigen, die einen nackten Knöchel unter
durch die Angriffe der Taliban betroffen sind.
dem Leinentuch einer Burka hervorschauen liessen, wurden
ausgepeitscht.
Im Gegensatz zu heute, wo in den Strassen von Kabul oft das
TALIBAN ZU NEUEM TERROR BEREIT Lachen von Mädchen auf dem Weg zur Schule zu hören ist,
Nach Angaben der Vereinten Nationen, die nach dem Be- die Uniformen aus schwarzen Mänteln und weissen Kopftü-
ginn der Friedensverhandlungen noch auf eine baldigen Be- chern tragen. Millionen Frauen sind wieder in die Arbeitswelt
ruhigung der Lage gehofft hatten, ist die Zahl der Attentate
und Angriffe seit September 2020 wieder stark angestiegen. Taliban – die Besiegten unbesiegbaren
Im Jahr 2020 wurden täglich durchschnittlich acht Afghanen
getötet und 15 verletzt, das waren insgesamt wieder Tausende
von Opfern. Analysten befürchten, dass diese Zahlen nach ei-
nem US-Truppenabzug rasch ansteigen werden.
Offiziell sind jetzt 2 500 US-Truppen in Afghanistan sta-
tioniert, zusammen mit mehr als 7 000 hauptsächlich NA-
TO-Streitkräften, die seit Kriegsbeginn an der Seite der USA
gekämpft haben. In den nächsten fünf Monaten wird das Mi-
litär die massive logistische Herausforderung bewältigen müs-
sen, alle Truppen, die Ausrüstung und schweren Waffen aus
einem Land abzuziehen, das es seit einer Generation besetzt
hat. Es könnte sogar sein, dass ein grosser Teil der alliierten
Truppen weit vor dem 11. September das Land verlässt, denn
je weniger Truppen gegen Ende des Abzugs noch im Land

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