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PORTRÄT
         RUBRIK


         DER NEUE ZAR








          Vor genau 20 Jahren ernannte ihn
          der damalige, schon sichtbar ge-
          brechlich wirkende russische Präsi-

          dent Boris Jelzin zum Ministerpräsi-
          denten und designierten Nachfolger
          als Kremlchef. Seither war der heute
          66-Jährige immer wieder Premier,
          Präsident, Premier und Präsident –
          denn die russische Verfassung hat
          eine Begrenzung für die Verweil-

          dauer des Staatschefs im Amt.



                                          > Von David Eckstein


         Dass Putin jemals in höchste Ämter gelangen würde, hat nicht
         einmal er selbst erwartet. Als Junge wuchs er in einer Arbei-
         terfamilie in einem Leningrader Hinterhof auf, seine Mutter
         durchlitt die fast 900-tägige Blockade durch Hitlers  Wehr-
         macht in der Newa-Stadt. Um sich gegen die starken Jungs zu
         wehren, erlernte er Judo.
         Er studierte Rechtswissenschaften an der Staatlichen Univer-
         sität Leningrad. Sein Tutor war Anatoly Sobtschak, später ei-
         ner der führenden Reformpolitiker der Perestroika-Zeit. Bis
         zum Untergang der DDR war er 15 Jahre als ausländischer
         Geheimdienstoffizier für den KGB (Ausschuss für Staatssi-
         cherheit) tätig, davon sechs Jahre in Dresden.

         FRÜHE KARRIERE IN ST.PETERSBURG
         1990 zog er sich aus dem aktiven KGB-Dienst im Rang eines
         Oberstleutnants zurück und kehrte nach Russland zurück,
         um Prorektor der Leningrader Staatsuniversität zu werden.
         Damit war er für die Aussenbeziehungen der Institution ver-
         antwortlich und damit westliche Auslandsstudenten zu be-
         aufsichtigen. Bald darauf wurde Putin Berater von Sobtschak,
         dem ersten demokratisch gewählten Bürgermeister von St. Pe-
         tersburg. Er gewann schnell Sobtschaks Vertrauen und wurde
         bekannt für seine Fähigkeit, Dinge effizient zu erledigen. Be-
         reits 1994 war er zum ersten stellvertretenden Bürgermeister
         aufgestiegen. Da war er aber noch weit von Moskau entfernt
         und vom höchsten Amt im Staat erst recht.


         KARRIERE IM ZENTRUM DER MACHT
         IN MOSKAU
         1996 zog Putin nach Moskau, wo er als Stellvertreter von
         Pavel Borodin, dem Hauptverwalter des Kremls, zum Präsi-
         dentenstab wechselte. Putin stand dort dem Leningrader Ana-



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