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GRATWANDERUNG
       INTERVIEW










                     Eine Lebensgeschichte aus am Tresen erzählten Rocker-Anekdoten. Interview mit Frank Ypsilon
       TR: Franky, du hast vor einem Jahr deine Autobio-  sen, aber dann habe ich es gelassen. Wenn er das   ähnlich verläuft und entdecken Parallelen zu
       grafie veröffentlicht. Stelle dich kurz vor:   so sieht, sein Ding. Egal was man macht, macht   ihren Anfängen. Der Wunsch, etwas Bestimmtes
                                            man es nie allen recht und dies ist auch nicht mein   in der Szene zu finden, welches man im Leben au-
       Franky: Bin 56 Jahre alt, Handwerker, seit 32 Jah-  Anspruch. Ich werde über das Buch als Hemm-  ßerhalb vermisst, hat sich wohl seit 50 Jahren
       ren in der gleichen Rockergemeinschaft unter-  schwellensenker auf Partys oft von Fremden an-  nicht verändert.
       wegs. President des Freeway Rider’s MC Hennef   gesprochen und der Austausch gefällt mir. Bei
       und lange Jahre als Pressesprecher im Club tätig.   Signierwünschen komme ich mir allerdings ko-  TR: Oldschool und Nachwuchs gehen bei deinem
       Als solcher habe ich meine Lebensgeschichte   misch vor.                  Buch also konform, wo man lange Nachwuchspro-
       unter dem Titel Gratwanderung im Books on De-                             bleme beklagt hat?
       mand Verlag herausgebracht.
                                                                                 Franky: Der Nachwuchs wird das Rad nicht neu er-
       TR: Wie bist du zur Szene gekommen?                                       finden und Oldschooler wie ich besitzen nicht den
                                                                                 heiligen Gral der Erkenntnis. Vor mir gab es alte
       Franky: Klassisch. Ich war nie Einzelgänger. Rocker                       Recken, von denen man lernen konnte und heute
       haben mir mit ihrem Zusammenhalt und Gemein-                              Jüngere, denen man Werte mitgibt. Aber man
       schaftsgefühl schon immer imponiert. Für ober-                            muss respektieren, jeder kommt aus einem ge-
       flächliche Bekanntschaften und unverbindlichen                            wissen Grund zur Szene, es gab die alten Moped-
       Smalltalk habe ich keine Lebenszeit übrig.                                cliquen, danach kam die nächste Generation und
                                                                                 die heutige Biker»jugend« hat einen anderen
       TR: Wie viele Bücher wurden verkauft und was                              Background.
       hast du daran verdient?
                                                                                 Allen ist gemeinsam: Ältere Generationen schau-
       Franky: Eine der häufigsten Fragen, die mir ge-                           en auf die Jüngeren herab, das ist auch in der ver-
       stellt werden. Bisher gingen 647 Exemplare raus,   TR: Wie lange hast du am Buch gearbeitet und hat   pönten Zivilgesellschaft so. Dabei sucht jeder, der
       pro Buch erhalte ich ca. drei Euro. Ich hoffe, es   dir jemand geholfen?   kommt, die Gemeinschaft Gleichgesinnter. Ich
       wurde noch häufiger durch Weitergabe oder Ver-                            denke, man darf sich neuen Dingen nicht ver-
       leihen gelesen. Das ist mir wichtiger.    Franky: Ich habe zwei Jahre daran gearbeitet, die   schließen und hat nur die Aufgabe, ältere Werte
                                            Rohfassung insgesamt sieben mal überarbeitet.   zu bewahren. Das vergleiche ich mit meinem
       Ich wollte lediglich meine Kosten für Schreib- und   Das ist normal beim Schreiben. Selbst wenn ich   Handwerksberuf, es gibt unveränderbare Grund-
       Korrekturprogramme sowie Probeexemplare de-  einen Artikel verfasse, überarbeite ich diesen   sätze einer soliden Ausbildung, aber auch techni-
       cken. Abzüglich eigener Ausgaben und Steuern   mehrmals. Geschrieben und herausgegeben habe   sche Neuerungen, Herausforderungen und Gege-
       dürften 1,50 die Stunde rausgekommen sein,   ich es alleine, so labert mir auch kein Verlag rein.   benheiten, denen man sich stellen muss. Man gibt
       dafür steht kein ein rumänischer Apfelpflücker   Allerdings hatte ich Freunde als Betaleser, die   als Altgeselle Bewährtes an Jüngere weiter, darf
       auf. Aus Tätigkeit für die Szene sollte kein mone-  checkten, ob die Geschichte stimmig klingt oder   sich aber dem Modernen nicht verschließen,
       tärer Gewinn erfolgen, bei gleichem Zeitaufwand   Ungereimtheiten auftauchen. Deren Tipps habe   muss auch mal zuhören, sonst gerät man aufs Ab-
       im Beruf hätte ich ein Vielfaches an Kohle raus-  ich alle umgesetzt. Das Cover hat meine Partnerin   stellgleis wie eine alte Dampflok. Fährt zwar noch
       geholt. Geld und persönlicher Ruhm interessieren   geschossen.            zuverlässig, will aber keiner mehr mitreisen.
       mich nicht, ich will eine Alternative zu Büchern
       von Polizisten und Aussteigern bieten, wenn es   TR. Hattest du nie Bedenken?
       um Berichte aus der Szene geht. Von daher bin ich
       mit der Verbreitung noch lange nicht zufrieden.   Franky: Die hätte ich vom ersten Tag der Idee an
                                            bis zur letzten Minute vor der Veröffentlichung,
       TR: Wie waren die Reaktionen auf deine Autobio-  als der Finger über der Taste Absenden schwebte.
       graphie?                             Man gibt sich öffentlich und das war nie mein
                                            Ding. Ich musste Chancen und Risiken abwägen
       Franky: Größtenteils positiv. Klar, zuerst ging sie   und habe mich entschieden. Ich habe ungefähr
       an Freunde raus, erst später interessierten sich   150 Artikel zu verschiedenen Themen, meist zum
       auch Fremde dafür. Aber aus Reaktionen auf Par-  Club, veröffentlicht und ich überlege immer, für
       tys oder virtueller Kommunikation sehe ich, dass   wen schreibe ich, was möchte ich diesem sagen
       ich vielen aus der Seele spreche. Das war mein   und was damit erreichen. Worte sind für mich
       Anliegen, der Mitte der Szene eine Stimme zu   Werkzeuge, etwas zu bewirken. Wenn ich erreicht
       geben und bei anderen Rockern und Bikern ei-  habe, dass Szeneangehörige ihren Weg bestätigt
       gene Erinnerungen wachzurufen. Sodass sie zur   sehen, Außenstehende etwas Verständnis be-
       Erkenntnis kommen, der eingeschlagene Weg   kommen und der ein oder andere den Weg in die   TR: Ein Schlusswort an die Leser:
       war der richtige. Natürlich gab es auch negatives.   Rockerszene findet, dann haben sich Aufwand
       Sachlich allerdings wenig, teils Internetrolle, die   und Risko gelohnt.   Franky: Geht euren Weg, nehmt Werte wichtig,
       einen ärgern, aber die man nicht übergewichten                            euch aber nicht zu ernst, vergesst den Spaß nicht
       sollte. Einer bewertete als extrem schlechten   TR: Könnte dein Buch Neulingen als Wegweiser   und bleibt Idealen und Freunden treu.
       Schreibstil, ekelhafter Selbstbeweihräucherung   dienen?
       und fremdenfeindlichen Zügen.
                                            Franky: Wenn ich auf Partys von Prospects und   Franky/ Frank Ypsilon Gratwanderung Books on
       Der letzte Aspekt hat meine ausländischen Kum-  Membern verschiedener Clubs angesprochen   Demand/Amazon ISBN 9783756882076
       pels amüsiert. Erst wollte ich antworten, er hätte   werde: Eindeutig ja. Oldschooler fühlen sich an
       Homophobie und Genderverweigerung verges-  Ereignisse erinnert, Jüngere hoffen, dass ihr Weg      Fotos©: Franky



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