Page 31 - TopRocker Nr.25
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GRATWANDERUNG
INTERVIEW
Eine Lebensgeschichte aus am Tresen erzählten Rocker-Anekdoten. Interview mit Frank Ypsilon
TR: Franky, du hast vor einem Jahr deine Autobio- sen, aber dann habe ich es gelassen. Wenn er das ähnlich verläuft und entdecken Parallelen zu
grafie veröffentlicht. Stelle dich kurz vor: so sieht, sein Ding. Egal was man macht, macht ihren Anfängen. Der Wunsch, etwas Bestimmtes
man es nie allen recht und dies ist auch nicht mein in der Szene zu finden, welches man im Leben au-
Franky: Bin 56 Jahre alt, Handwerker, seit 32 Jah- Anspruch. Ich werde über das Buch als Hemm- ßerhalb vermisst, hat sich wohl seit 50 Jahren
ren in der gleichen Rockergemeinschaft unter- schwellensenker auf Partys oft von Fremden an- nicht verändert.
wegs. President des Freeway Rider’s MC Hennef gesprochen und der Austausch gefällt mir. Bei
und lange Jahre als Pressesprecher im Club tätig. Signierwünschen komme ich mir allerdings ko- TR: Oldschool und Nachwuchs gehen bei deinem
Als solcher habe ich meine Lebensgeschichte misch vor. Buch also konform, wo man lange Nachwuchspro-
unter dem Titel Gratwanderung im Books on De- bleme beklagt hat?
mand Verlag herausgebracht.
Franky: Der Nachwuchs wird das Rad nicht neu er-
TR: Wie bist du zur Szene gekommen? finden und Oldschooler wie ich besitzen nicht den
heiligen Gral der Erkenntnis. Vor mir gab es alte
Franky: Klassisch. Ich war nie Einzelgänger. Rocker Recken, von denen man lernen konnte und heute
haben mir mit ihrem Zusammenhalt und Gemein- Jüngere, denen man Werte mitgibt. Aber man
schaftsgefühl schon immer imponiert. Für ober- muss respektieren, jeder kommt aus einem ge-
flächliche Bekanntschaften und unverbindlichen wissen Grund zur Szene, es gab die alten Moped-
Smalltalk habe ich keine Lebenszeit übrig. cliquen, danach kam die nächste Generation und
die heutige Biker»jugend« hat einen anderen
TR: Wie viele Bücher wurden verkauft und was Background.
hast du daran verdient?
Allen ist gemeinsam: Ältere Generationen schau-
Franky: Eine der häufigsten Fragen, die mir ge- en auf die Jüngeren herab, das ist auch in der ver-
stellt werden. Bisher gingen 647 Exemplare raus, TR: Wie lange hast du am Buch gearbeitet und hat pönten Zivilgesellschaft so. Dabei sucht jeder, der
pro Buch erhalte ich ca. drei Euro. Ich hoffe, es dir jemand geholfen? kommt, die Gemeinschaft Gleichgesinnter. Ich
wurde noch häufiger durch Weitergabe oder Ver- denke, man darf sich neuen Dingen nicht ver-
leihen gelesen. Das ist mir wichtiger. Franky: Ich habe zwei Jahre daran gearbeitet, die schließen und hat nur die Aufgabe, ältere Werte
Rohfassung insgesamt sieben mal überarbeitet. zu bewahren. Das vergleiche ich mit meinem
Ich wollte lediglich meine Kosten für Schreib- und Das ist normal beim Schreiben. Selbst wenn ich Handwerksberuf, es gibt unveränderbare Grund-
Korrekturprogramme sowie Probeexemplare de- einen Artikel verfasse, überarbeite ich diesen sätze einer soliden Ausbildung, aber auch techni-
cken. Abzüglich eigener Ausgaben und Steuern mehrmals. Geschrieben und herausgegeben habe sche Neuerungen, Herausforderungen und Gege-
dürften 1,50 die Stunde rausgekommen sein, ich es alleine, so labert mir auch kein Verlag rein. benheiten, denen man sich stellen muss. Man gibt
dafür steht kein ein rumänischer Apfelpflücker Allerdings hatte ich Freunde als Betaleser, die als Altgeselle Bewährtes an Jüngere weiter, darf
auf. Aus Tätigkeit für die Szene sollte kein mone- checkten, ob die Geschichte stimmig klingt oder sich aber dem Modernen nicht verschließen,
tärer Gewinn erfolgen, bei gleichem Zeitaufwand Ungereimtheiten auftauchen. Deren Tipps habe muss auch mal zuhören, sonst gerät man aufs Ab-
im Beruf hätte ich ein Vielfaches an Kohle raus- ich alle umgesetzt. Das Cover hat meine Partnerin stellgleis wie eine alte Dampflok. Fährt zwar noch
geholt. Geld und persönlicher Ruhm interessieren geschossen. zuverlässig, will aber keiner mehr mitreisen.
mich nicht, ich will eine Alternative zu Büchern
von Polizisten und Aussteigern bieten, wenn es TR. Hattest du nie Bedenken?
um Berichte aus der Szene geht. Von daher bin ich
mit der Verbreitung noch lange nicht zufrieden. Franky: Die hätte ich vom ersten Tag der Idee an
bis zur letzten Minute vor der Veröffentlichung,
TR: Wie waren die Reaktionen auf deine Autobio- als der Finger über der Taste Absenden schwebte.
graphie? Man gibt sich öffentlich und das war nie mein
Ding. Ich musste Chancen und Risiken abwägen
Franky: Größtenteils positiv. Klar, zuerst ging sie und habe mich entschieden. Ich habe ungefähr
an Freunde raus, erst später interessierten sich 150 Artikel zu verschiedenen Themen, meist zum
auch Fremde dafür. Aber aus Reaktionen auf Par- Club, veröffentlicht und ich überlege immer, für
tys oder virtueller Kommunikation sehe ich, dass wen schreibe ich, was möchte ich diesem sagen
ich vielen aus der Seele spreche. Das war mein und was damit erreichen. Worte sind für mich
Anliegen, der Mitte der Szene eine Stimme zu Werkzeuge, etwas zu bewirken. Wenn ich erreicht
geben und bei anderen Rockern und Bikern ei- habe, dass Szeneangehörige ihren Weg bestätigt
gene Erinnerungen wachzurufen. Sodass sie zur sehen, Außenstehende etwas Verständnis be-
Erkenntnis kommen, der eingeschlagene Weg kommen und der ein oder andere den Weg in die TR: Ein Schlusswort an die Leser:
war der richtige. Natürlich gab es auch negatives. Rockerszene findet, dann haben sich Aufwand
Sachlich allerdings wenig, teils Internetrolle, die und Risko gelohnt. Franky: Geht euren Weg, nehmt Werte wichtig,
einen ärgern, aber die man nicht übergewichten euch aber nicht zu ernst, vergesst den Spaß nicht
sollte. Einer bewertete als extrem schlechten TR: Könnte dein Buch Neulingen als Wegweiser und bleibt Idealen und Freunden treu.
Schreibstil, ekelhafter Selbstbeweihräucherung dienen?
und fremdenfeindlichen Zügen.
Franky: Wenn ich auf Partys von Prospects und Franky/ Frank Ypsilon Gratwanderung Books on
Der letzte Aspekt hat meine ausländischen Kum- Membern verschiedener Clubs angesprochen Demand/Amazon ISBN 9783756882076
pels amüsiert. Erst wollte ich antworten, er hätte werde: Eindeutig ja. Oldschooler fühlen sich an
Homophobie und Genderverweigerung verges- Ereignisse erinnert, Jüngere hoffen, dass ihr Weg Fotos©: Franky
JAN/FEB 2024