Page 38 - Volksdorfer Zeitung VZ 32 - Oktober 2018
P. 38
UNSER BUCHTIPP
„Loyalitäten“
Der neue Roman der
mehrfach ausgezeich- neten französischen Auto- rin Delphine de Vigan wirft beim Lesen viele Fragen auf: Was bedeutet Loyalität in Be- zug auf die Eltern, auf Partner, Freunde, Kollegen oder auch auf sich selbst? Welche Wer- te dienen als Grundlage aller zwischenmenschlichen Bezie- hungen? Was kann man tun bei Konflikten, in die Kinder invol- viert sind? Sie verhalten sich ih- ren Eltern gegenüber ganz ins- tinktiv loyal, selbst wenn es ih- nen dabei nicht gut geht.
Die beiden kindlichen Pro- tagonisten Mathis Guillaume und Théo Lubin finden Trost und Halt in ihrer Freundschaft und verdrängen die jeweiligen Konflikte bei ihnen zuhause, über die niemand spricht. Sie sind beide 12 Jahre alt und be- suchen die gleiche Schulklas- se. Théos Eltern sind seit sechs Jahren geschieden und vermei- den jegliche Kommunikation miteinander, ihr Sohn lebt ab- wechselnd eine Woche bei der Mutter, die noch immer vol- ler Hass und Bitterkeit gegen ihren Exmann ist, dann wie- der eine Woche beim depressi- ven Vater. Beide Elternteile ha- ben mit sich zu kämpfen und
Delphine de Vigan
Geboren 1966, erreichte ihren endgültigen Durchbruch als Schriftstellerin mit dem Roman „No & ich“ (2007), für den sie mit dem Prix des Libraires und dem Prix Rotary International 2008 ausgezeichnet wurde. Ihr Roman
lassen Théo mit seinen Bedürf- nissen und Nöten allein. Die Last auf seinen Schultern, sein stummes Leiden, die Angst sei- ne Eltern zu enttäuschen, wer- den mit jeder umgeblätterten Seite durch die eindringliche Erzählweise spürbarer. Théos Freund Mathis kommt aus ei- nem scheinbar heilen Eltern- haus, doch auch hier offenba- ren sich allmählich die Risse hinter der Fassade. Mathis Mut- ter Cécile ist eine unsichere, sehr angepasste Frau mit dem Hang zu Selbstgesprächen. Mit der Heirat ihres Mannes ist ihr zwar der Aufstieg in ein wohl- habendes, gebildetes Milieu ge- lungen, jedoch hat sie sich ih- rem Ehemann stets unterge- ordnet. Nun gerät ihre Welt ins Wanken als sie auf ein dunkles Geheimnis ihres Mannes stößt und ihr Sohn eines Tages mit ei- ner Fahne aus der Schule heim- kehrt. Was als eine Art Spiel oder Mutprobe mit kleinen al- koholischen Trinkspielen in ei- nem Versteck in der Schule be- ginnt, läuft schnell aus dem Ru- der und steigert sich zumindest bei Théo zu einem schwerwie- genden Suchtproblem. Mathis möchte seinem besten Freund beistehen, will ihn aber auch nicht verraten.
„Nach einer wahren Geschichte“ (DuMont 2016) stand wochen- lang auf der Bestsellerliste in Frankreich und erhielt 2015
den Prix Renaudot. Bei DuMont erschien 2017 ihr Debütroman „Tage ohne Hunger“. Die Autorin lebt mit ihren Kindern in Paris. FOTO: DELPHINE JOUANDEAU
Auf ihren farbintensiven Aqua- rellen und Ölbildern finden sich Blumenstillleben, Landschaf- ten sowie eindrucksvolle Ham- burger Stadtlandschaften. Die Inseln der Nordsee – und natür- lich Sylt – sind besondere Mo- tive in der Malerei von Julia Küchmeister, die stilistisch zwi- schen Impressionismus und Ex- pressionismus einzuordnen ist. Mit schwungvollem, geradezu heftigem Pinselstrich arbeitet die Künstlerin in der Farbauflö-
Zum Glück gibt es neben den beiden Jungen und Cécile noch eine 4. Protagonistin, Hélène Destrée, die Klassenlehrerin von Théo und Mathis. Sie be- merkt als Erste die schleichen- den Veränderungen in Theos Verhalten und in seinem Er- scheinungsbild und macht an- dere auf die Gefahr aufmerk- sam, die sie rund um Théo spürt. Trotz der fehlenden Un- terstützung anderer Lehrer und des Schuldirektors, vertraut sie ihrer Intuition und versucht mit Théo und seiner Mutter Kontakt aufzunehmen.
Delphine de Vigan durch- leuchtet in ihrem Roman mit feinem Gespür die Problem- situation von Kindern, vor al- lem auch von Scheidungskin- dern, die sich zwischen den Stühlen befinden und dringend den Schutz und das Vertrauen aufmerksamer Bezugsperso- nen brauchen. Anhand des Ver- haltens der Romanfiguren wird deutlich, welche Herausforde- rungen und Chancen Loyali- täts-Konflikte mit sich bringen, wie wichtig es ist sich im Le- ben (selbst-)verantwortlich zu positionieren und an die Stelle des Schweigens und der inne- ren Monologe den offenen Dia- log zu setzen.
7 DuMont Buchverlag, gebunden 20 € , 176 Seiten - ISBN: 978-3-8321-8359-2
sung des Impressionismus, ihr Farbauftrag entspricht in seiner Intensität eher der Farbigkeit des Expressionismus.
7 Die Ausstellung wird unterstützt von der Stiftung „Zukunft Ev. Amalie Sieveking-Krankenhaus
in den Walddörfern“ und dem Freundes- und Förderkreis Ev. Amalie Sieveking-Krankenhaus. Zu sehen bis zum 30. November täglich in der Magistrale des Ev. Amalie Sieveking-Krankenhauses, Haselkamp 33.
Buchhandlung I.v.Behr
Im Alten Dorfe 31 Montag bis Freitag 9:00 bis 18:30 Uhr, Samstag: 9:00 bis 14:00 Uhr Telefon: 040-603 12 86 E-Mail: info@buecher-behr.com
AMALIE SIEVEKING
Kunstausstellung
mit Julia Küchmeister
Das Ev. Amalie Sieveking- Krankenhaus zeigt bis zum 30. November Werke von Ju- lia Küchmeister. Die in Ham- burg geborene Künstlerin be- gann Ihre Ausbildung 1956 an der Hochschule für bildende Künste in München und schloss diese 1959 in Montrale/Kanada
ab. Danach lebte sie viele Jah- re in Spanien, wo sie ihre ersten Ausstellungen ausrichtete und mit ihren Zigeunerdarstellun- gen große Beachtung erfuhr. Seit Ihrer Rückkehr 1963 lebt und malt sie bei uns in Volks- dorf – im Sommer zieht es sie an die Nordsee nach Sylt.
38 Volksdorfer Zeitung Oktober 2018