Page 6 - Volksdorfer Zeitung Mai 2017
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EIN BEITRAG ZUR VERSACHLICHUNG
Stadtteilgerechtigkeit bei
der Flüchtlingsunterbringung
Wo und wie kann Integration gelingen?
..VON ANDREAS DRESSEL
„Die Wohnungen für
Flüchtlinge sollen nach Möglichkeit in überschauba- ren Einheiten errichtet wer- den, um nicht die Fehler an- derer Länder zu wiederholen und riesige Trabantenstädte oder Ghettos vor den Städten zu schaffen, die ein Eigenle- ben führen, statt einen Beitrag zur Integration zu leisten. Der Blick in die Pariser Banlieu- es und auf ihre teilweise dra- matischen sozialen und kultu- rellen Probleme sollte uns war- nen. Aus Gründen der Gerech- tigkeit ist klar, dass die Unter- bringung am besten möglichst dezentral in der Stadt erfol- gen sollte. Im Idealfall bedeutet das, dass Flüchtlingsunterkünf- te nicht nur in den wirtschaft- lich schwächeren Stadtteilen mit unterdurchschnittlichen Einkommen gebaut werden, sondern eben auch in gut funk- tionierenden Mittelschichts- quartieren und wohlhabenden Wohngegenden.“
Standortgerechtigkeit statt ungleicher Belastung
So hat unser Erster Bürgermeis- ter Olaf Scholz in seinem Buch „Hoffnungsland“ die Heraus- forderung bei der Flüchtlings- unterbringung beschrieben – und das gilt auch für Hamburg und eben auch für Volksdorf. Wir können nicht in Sonntags- reden dieses Ziel beschwören, vor Ghettos, vor Überlastungen in Kitas und Schulen warnen und werktags wieder Standor-
tentscheidungen für wei-
tere Unterkünfte treffen,
bei denen wieder Neugra-
ben, Billstedt, Wilhelms- burg, Jenfeld oder Eidels-
tedt mehr belastet wer-
den. Deswegen haben wir
in Hamburg als Koalition gekämpft für die Unter- künfte in Harvestehude,
in der HafenCity, in Blan- kenese, in Eppendorf, in Klein Borstel, in Lemsahl,
auf der Uhlenhorst, in Poppenbüttel, in Rissen
– und eben jetzt in Volks-
dorf. Wir wollen Stadt- teilgerechtigkeit und wir sollten als Gesellschaft auch bereit sein, dabei einen höhe- ren, aber immer wirtschaftlich vertretbaren Preis dafür zu be- zahlen.
Ein schwieriger und teurer, aber notwendiger Weg
Vor diesem Hintergrund haben wir uns im vergangenen Jahr als Bürgerschaft und Senat mit einer Volksinitiative geeinigt, kleinere Unterkünfte, gerecht verteilt in der Stadt zu schaffen. Mit diesem Kompromiss wur- de ein Volksentscheid zu die- ser extrem polarisierenden Fra- ge abgewendet. Genau mit die- sen Prämissen war es der Koa- lition auch in Volksdorf gelun- gen, nach intensiver, durchaus kontroverser Suche einen po- litischen Kompromiss mit der örtlichen Bürgerinitiative für eine Unterkunft und eine Flä- che zu erreichen, bei dem so- wohl der BUND als auch der örtliche CDU-Bürgerschaftsab-
der Stadt im Mittelfeld der Mietkosten vergleich- barer Standorte, die ge- samten Platzkosten lie- gen deutlich unter denen anderer, der Stadtteil- gerechtigkeit dienender Standorte (beispielswei- se liegen sie in der Hafen- City dreimal so hoch als in Volksdorf). Der Stand- ort ist eingebunden in ein viele Stadtteil- und Na- turbelange berücksichti- gendes Bebauungsplan- verfahren, die naturna- he Fläche wird nachher auf Kosten des Eigentü-
mers renaturiert, was natür- lich in die Preisbildung einge- ossen ist. Der Standort ist ge- mäß dem gerade vorgestellten stadtweiten Verteilungsschlüs- sel ein konkreter und notwen- diger Beitrag zu mehr Stadtteil- gerechtigkeit, denn er hilft, das Unterbringungsde zit des Be- zirks Wandsbek, des Stadtteils Volksdorf und der Walddörfer im stadtweiten Vergleich aus- zugleichen.
Gesamtabwägung anschauen
Insofern sollten einige Kritiker verbal etwas abrüsten und sich die Gesamtabwägung anschau- en. Und wenn man dem SPD- Fraktionsvorsitzenden nicht glauben mag, dann vielleicht eher dem Vertrauensmann der Volksinitiative Klaus Schoma- cker; er hat zu diesem Thema gesagt: „...Bei den Kosten soll- te man nicht nur auf den Pacht- preis schauen, sondern sich ne- ben der zweifellos gegebenen Wirtschaftlichkeit der Unter- kunft fragen, wie die Kosten ei- ner gescheiterten Integration wären! Der Blick muss immer darauf gerichtet sein: Wo kann Integration gelingen? Die Vo- raussetzungen für gute Integ- ration sind mit Blick auf Sozi- al- und Infrastruktur an diesem Standort gegeben. .... Solche Beispiele sollten weniger An- lass für Kritik geben, sondern eher in ganz Hamburg Schule machen.“
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Andreas Dressel, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Ham- burgischen Bürgerschaft und Mitglied im Verein „Koralle – Stadtteilkultur in Volksdorf e.V.“ mit Bürgermeister Olaf Scholz.
geordnete keine Einwände hat- ten. Danach ging es darum, den schließlich von der Bezirksver- sammlung mit Einleitung ei- nes Bebauungsplanverfahrens langfristig abgesegneten Kon- sens behördenseitig umzuset- zen – wie sich gezeigt hat, kein einfacher, sondern ein teurer und schwieriger Weg. Aber es zeigt sich einmal mehr, dass die Herstellung von Stadtteil- gerechtigkeit gerade in wohlha- benden Stadtteilen mit hohen Grundstückspreisen teuer und schwierig, aber gleichwohl not- wendig ist. Dass die Opposition dazu Aufklärung verlangt, die Akten sehen will, ist völlig in Ordnung – aber man soll bitte den ganzen Sachverhalt sehen.
Volksdorfer Standort ent- sprichtexaktdenVorgaben
Denn im stadtweiten Vergleich ist das Ergebnis in Volksdorf mehr als gut vertretbar: Der Standort entspricht exakt den Vorgaben der Verständigung mit der Volksinitiative, unter 300 Plätze und in ausreichen- dem Abstand zur nächsten Un- terkunft, der Standort steht langfristig für über 15 Jahre zur Verfügung, er liegt nach einer Wirtschaftlichkeitsberechnung