Page 24 - Volksdorfer Zeitung VZ 39 Seitember 2019
P. 24

 Nach dem Tod seiner Eltern 1928 ließ Hans von Ohlendorff das alte Haus abreißen und dort von Elingius & Schramm eine moderne Villa errichten.
90 JAHRE OHLENDORFF’SCHE VILLA
Ein Haus mit vier Generationen
VON ERNSTWALTER CLEES
Errichtet als Wohnhaus, beschlag-
nahmt als Kasino, genutzt als Verwal- tungssitz und heute wieder und immer noch Volksdorfs optischer Mittelpunkt: das Ge- bäude, das wir heute „Ohlendorff’sche Villa“ nennen, wird in diesen Tagen 90 Jahre alt.
1928: Auskommliche Größe von rund 460 Quadratmetern
Hans von Ohlendorff, der jüngste Spross der großen Hamburger Kaufmanns- familie Ohlendorff, lebte bis zum
Tode von Vater und Mutter mit
ende; zur Rechten ein Gesellschaftsraum, heute Bibliothek genannt, vom Hausherrn aber ebenso intensiv der Musik gewidmet, wie alte Fotos zeigen.
Das Obergeschoss war privat. Der Jung- geselle hatte hier sein „Morgenzimmer“ für Frühstück, Zeitung und Korrespondenz, mit einer Tapetentür zum Schlafgemach, an das wiederum sich ein verhältnismäßig kleines Bad anschloss. Zur anderen Gebäu- deseite hin lagen zwei Gästezimmer mit dazwischen liegendem gemeinsamem Bad
und über drei Stufen erreichbar (die Decke der Bibliothek ist der Akus- tik wegen etwas höher). Hier war viele Jahre später das Büro von Volksdorfs Ortsamtsleiterin An-
gelika Sterra.
Auf allen Ebenen fallen schma-
le Flure parallel zu den bewohn- ten Räumen auf. Durch diese „Die- nergänge“ bewegte sich möglichst unauffällig das Personal, unter anderem zu den Anrichten, die sich auf jeder Etage befanden und über Speiseaufzüge mit einander und mit der Küche im Untergeschoss (der heu- tigen Konditorei) verbunden war. Im Dach- geschoss gab es dann noch eine Wohnung
für den Kustos.
Vier Menschengenerationen
90JahreSteinhausentsprechenfastvier Menschengenerationen, und auch die Vil- la hat mit jeder Generation andere Erfah- rungen gemacht. Mit ihrem Bauherrn und Bewohner erlebte sie eine gesellschaftliche Blütezeit. Das Gästebuch (übrigens als Ko- pie für jedermann zugänglich in der „Bib- liothek“, gleich vorne links neben der zwei- tenTüre)–dasGästebuchzeugtvonvielen Festivitäten und deren den Umständen ge-
schuldeter Gestaltung: Weltwirtschaftskri- se, Krieg und Nachkriegszeit wirkten sich auch bei Ohlendorffs auf die Speisenkar- ten aus. Gleichzeitig lassen die Unterschrif- ten auf viele interessante Gesellschaften schließen. Was nirgends schriftlichen Nie- derschlag fand (oder noch nicht entdeckt wurde), das sind Hans von Ohlendorffs Ak- tivitäten in Volksdorf als Freimaurer. Auch die Erinnerung an sicher zahlreiche Besu- che der großen Familie wird eher anekdo- tisch aufrecht erhalten, etwa von Nichten und Neffen, die sich begeistert an uner- laubte Fahrten mit dem Speiseaufzug von Etage zu Etage erinnern...
1951: Podium für die Musikkapelle
Bemerkenswert ist, dass die Villa keinen di- rekten Zugang zum Park hat, der bis Mitte der 1930er Jahre noch bis zur Straße Reh- blökken ging – die Eulenkrugstraße gab es hier noch nicht. Gleichwohl standen vor der Villa auf der heute noch bestehenden Terrasse zur Parkseite Gartenmöbel, wie alte Fotos zeigen, und bei der Eröffnung des Verwaltungssitzes im Jahre 1951 war diese Terrasse das Podium für die Musikka- pelle – sie wartet heute noch auf eine Wie- derbelebung mit Bühne und Parkkonzert.
Beim Einmarsch der Briten in Volksdorf am 3.Mai 1945 wurde die Ohlendorff’sche Villa beschlagnahmt und u. a. als Kasino genutzt.DashatbaulichkeinegroßenSpu- ren hinterlassen, auch wenn, wie die Über- lieferung sagt, einmal ein Offizier zu Pferde die vormals freiherrlichen Gesellschafts- räume frequentierte.
Noch während der Militärverwaltung wurden hier erste öffentliche Ämter und Dienststellen eingerichtet – im Unter- geschoss. Eine schlechte Kopie zeigt die Raumplanung, wonach die heutige Back-
     rund 50 Jahren noch im elter-
lichen Haushalt. Das war, wie
Mutter Elisabeth in ihren Tage- büchern* beschreibt, nicht frei
von Reibereien und – seitens des
Sohnes – mit gelegentlichen Ab- setzbewegungen verbunden. Als Va-
ter Heinrich und Mutter Elisa-
beth kurz hinter einander im
Jahr 1928 starben, kam der ra-
dikale Schnitt, ohne den es 90 Jahre spä- ter die Kultur- und Begegnungsstätte „Ohlendorff’sche Villa“ nicht gäbe: Hans ließ noch im Sterbejahr der Eltern das Wohnhaus abreißen und beauftragte den Architekten Erich Elingius, ihm an dersel- ben Stelle und nach seinen Wünschen ein Einfamilienhaus auskömmlicher Größe, d.h. mit rund 460 Quadratmeter umbau- tem Raum, zu errichten.
Zu den Vorgaben zählte die Berücksichti- gung von Hans von Ohlendorffs überzeug- tem Engagement als Freimaurer. Nach de- ren Symbolik und Ritus ist das Haus innen gestaltet*: eine kreuzweise Anordnung der Sichtachsen, ein großer Versammlungs- raum zur Linken mit einer Apsis am Kopf-
24 Volksdorfer Zeitung September 2019
Hans
von Ohlendorff































































   22   23   24   25   26