Page 152 - Das Wunder der Ameise
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Die perfekte Jagdtechnik

                     Bestimmte Ameisenspezies benutzen ihre Zähne, um Spinnenei-
                  er, Raupen, Insekten und Termiten zu fressen. Viele Ameisen (zum
                  Beispiel die Dacetine) sind besonders auf flügellose Insekten spezia-
                  lisiert. Diese Insekten leben in Gruppen auf dem Boden und auf ver-
                  faulten Blättern. Sie haben Verlängerungen in Form von gefalteten
                  Gabeln unter ihren Körpern. Wenn sie sich schütteln und aufstehen,
                  wirft dieses Organ sie in die Luft und bringt sie vorwärts wie ein
                  Minikänguru. Gegen dieses äußerst wirkungsvolle Manöver benut-
                  zen die Dacetine-Ameisen ihre Unterkiefer wie eine Falle, mit der
                  Tiere angezogen werden können. Wenn die Ameise, die nach Nah-
                  rung sucht, mit ihren Fühlern den Geruch eines solchen Insekts auf-
                  nimmt, begibt sie sich in Warteposition und öffnet ihren Kiefer 180
                  Grad weit. Sie kontrolliert ihre Umgebung, indem sie ihre Fühler
                  vorwärts bewegt. Dann nähert sich die Ameise langsam dem Insekt.
                  Wenn ihre Fühler das kleine Insekt berühren, befindet es sich in ei-
                  nem Abstand, in dem ihre spitzen Zähne es erreichen können. Wenn
                  die Ameise zubeißt, wird ihr Kiefer plötzlich geschlossen und das
                  Insekt wird zwischen den Zähnen zerdrückt. 87
                     Diese Ameisen verfehlen ihr Opfer nie, weil sie Kiefer mit dem
                  schnellsten Reflex der Welt haben.
                     Die Geschwindigkeit unseres Augenblinzelns ist verglichen mit
                  der Beißgeschwindigkeit der Fallenstellerameise sehr langsam.
                  Während das Öffnen und Schließen des Augenlides ungefähr eine
                  Drittelsekunde dauert, arbeiten die Kiefer dieser  Ameisen
                  (Odontomachus Bawi) fast 100 mal schneller. Der schnellste beobach-
                  tete Schlag dauerte 0,33 Millisekunden. 88
                     Der Kiefer der Fallenstellerameisen ist ungefähr 1,8 mm lang. In
                  den inneren Abschnitten gibt es einen Beutel voller Luft, der mit der
                  Luftröhre verbunden ist. Dieses System ermöglicht eine außerge-
                  wöhnlich schnelle Bewegung des Kiefers. Er dient als Miniatur-
                  mausefalle. Während der Jagd ist der Kiefer völlig geöffnet und be-
                  reit, sich jederzeit zu schließen. Die Beißgeschwindigkeit ver-
                  langsamt sich zum Ende des Beißprozesses. Um zu verhindern, dass



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