Page 383 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Notizen von dem Daseyn des Werks hat man aus und über Polen, ohne
daß jedoch sonderliche Hoffnung zur Wiederauffindung einer angeblich
gegen Ende des 16ten Jahrhunderts aus der Moldau durch einen
Volhynischen Edelmann, Namens Woinowsky, nach Polen gebrachten
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Handschrift vorhanden wäre. Seit der Mitte des 16ten Jahrhunderts hat
man übrigens in allen Ausgaben des ganzen Cicero auch, ausser dem
Traume des Scipio, eine Zusammenstellung der bei den angeführten
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Schriftstellern entdeckten Bruchstücke von bedeutender Anzahl, deren
Text z. B. in der Schützischen Ausgabe (ohne den Traum) zwanzig
Seiten ausmacht. Diese Fragmente, nebst den Stellen, wo Lactantius und
Augustinus über das Werk sprechen, ohne eigentlich dessen Worte
wiederzugeben, und so manche Aeußerungen Cicero's in seinen übrigen
Werken über die Gegenstände, welche in dem Werke vom Staate
wahrscheinlich zur Sprache gekommen seyn mochten, veranlaßten am
Schlusse des 18ten Jahrhunderts einen gelehrten Franzosen, M. Bernardi,
eine Art von musivischem Werke, oder Cento, zusammenzusetzen, das
im Jahre 1807 in zwei Bänden mit Lateinischem Text und gegenüber
gedruckter Französischer Uebersetzung in der zweiten Auflage erschien,
und, ob es gleich seiner Natur nach nicht geeignet war, für das Verlorne
irgend einen Ersatz zu leisten, doch nicht ohne Beifall aufgenommen
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wurde Endlich entdeckte im Jahre 1820 der Bibliothekar der
Vaticanischen Bibliothek in Rom, Abbate Angelo Majo, schon seit 1813
als Entdecker verschiedener Werke des Alterthums auf Palimpsesten der
Ambrosianischen Bibliothek zu Mailand, auch einiger Bruchstücke von
den Reden des Cicero berühmt, bald nach seiner Versetzung nach Rom
(1819), in einem Codex rescriptus die herrlichen Ueberreste, die wir
hier unsern Lesern in einer Uebersetzung mittheilen. Aus dem Kloster
des h. Columbanus zu Bobbio in Oberitalien, das im Mittelalter eine
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treffliche Bibliothek hatte, waren viele Handschriften in die
Ambrosianische Bibliothek zu Mailand gekommen, einige auch nach
Rom, unter andern um den Anfang des 17ten Jahrhunderts ein Codex,
auf welchen, nach Auslöschung einer ältern Schrift, schon vor dem 10ten
Jahrhundert der Commentar des h. Augustinus über die Psalmen (vom
119ten bis 141sten) geschrieben worden war. Die 304 Seiten, die die
Handschrift hat, gehörten, bis auf zwei, alle Einem Werke an, in dessen
verwischten sehr großen Buchstaben Majo bald kostbare Reste eines
verlornen Ciceronischen Werkes erkannte. Aber da auch der Codex des
Augustinus nicht ganz ist, und sogar zu diesem nicht das ganze alte
Werk, wie es scheint, verwendet worden war, überdieß Derjenige,
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