Page 66 - Mayrlife Magazin 2025
P. 66
einer Langsamkeit und Bodenständigkeit geprägt, dass man sich fühlt wie in einer an-
deren Zeit. Im Medical Spa selbst versucht man die Balance aus luxuriösen Treat-
ments, moderner Ausstattung und Detox-Küche ohne Alkohol, Zucker und Koffein und
der altmodischen (aber vernünftigen) Idee, dass man sich für alles Zeit nehmen sollte.
Ohne sich von Smartphones und iPads ablenken zu lassen. Das funktioniert mittelgut:
Fast jeder Gast bringt ein Smartphone, einen E-Reader oder ein Buch mit zu den
Mahlzeiten. Ich selbst bin ständig von den Gerichten der anderen Gäste abgelenkt
und frage mich, warum die Person neben mir drei Mini-Teller aus der Karte bestellen
darf und ich nur zwei (Antwort vom Restaurant-Personal: »Das müssen Sie mit Ihrem
Arzt besprechen.«). Die Tage, an denen es Eier zum Frühstück gibt, gehören zu den
Höhepunkten der Woche, und so sehr ich es versuche: Ich schaffe es nie, einen Hap-
pen Suppe 40-mal zu kauen – so, wie es das Protokoll eigentlich vorsieht.
Einfach ist anders – aber es lohnt sich
In vielen Momenten im MAYRLIFE fühle ich mich wie in einer Therapiesitzung. Persön-
liche Themen kommen bei Gesprächen rund um die eigene Gesundheit und Stress
schnell an die Oberfläche, aber die erfahrenen und wirklich sehr einfühlsamen Profis
haben immer die richtigen Worte und eine Schachtel Taschentücher parat. Am zwei-
ten Tag, an dem auch bei mir das berüchtigte »Kur-Tief« eintritt, rät mir mein »Kur-
Coach«, ich solle »einfach mal rausgehen«. Im Zweifelsfall, das wissen hier alle, sind
See und Wald immer für einen da.
Doch mein Hirn wird auch hochtechnologisch behandelt. Für eine Behandlung na-
mens Gleichstromstimulation setzt man mir eine badehaubenähnliche Kopfbede-
ckung auf, unter der Elektroden per Knopfdruck elektrische Ströme durch den Schä-
delknochen ans Gehirn senden. Das soll bei Depressionen, Migräne und Schmerzen
helfen. Ich durchlaufe vier 30-Minuten-Sitzungen, jedes Mal spüre ich nur ein leichtes
Kribbeln auf der Stirn. Schwer zu beurteilen, wie sehr es meine Stimmung beeinflusst.
Doch ich genieße es, meinen Körper und mein Gehirn anders einzusetzen und zu spü-
ren als sonst.
Wie beim Watsu, abgeleitet von den Worten Wasser und Shiatsu, wo ich mich rücklings
in warmem Wasser völlig bewegungslos in die Arme einer Therapeutin begebe, die
meinen Körper sanft bewegt und dehnt. Zum ersten Mal seit Langem habe ich das
Gefühl, mich völlig fallen lassen zu können. Ganz anders ist das Learning bei der Kryo-
therapie, wo kalte Luft von minus 110 Grad drei Minuten auf meine Schenkel einsticht
wie Tausende kleine Nadeln, während ich wie ein Flummi in der Kälte-Box hin und her
hüpfe. So erfahre ich, was in meinem Körper passiert und dass ich in Stresssituationen
etwa viel zu wenig atme.
Das MAYRLIFE verhalf mir zu mehr Kraft im Alltag
Ich kann nicht alles kontrollieren, was diesen Stress auslöst. Doch am Ende des Pro-
gramms fühle ich mich, als könnte ich ihn etwas besser regulieren. Ich fühle mich
innerlich stabiler, wacher, ruhiger. Der Ausblick auf die Rückkehr in eine neue »normale«
Woche macht mich weniger nervös als sonst. Tatsächlich freue ich mich darauf,
den Alltag mit mehr Kraft anzugehen. Mindestens genauso freue ich mich aber auch
darauf, endlich wieder Kaffee trinken zu dürfen.
Dieser Artikel ist zuerst im Magazin Condé Nast Traveller Deutschland erschienen.
66

